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Freitag, 19. Januar 2024

Yeply: Warum scheiterte der mobile Bike-Service?


Muffelige Fahrrad-Mechaniker mit langen Reparatur-Wartezeiten war gestern. Das finnische Start-Up Yeply verspricht schnellen Service und kommt zur Instandsetzung vor die Haustür. Leider konnte sich die Idee in Deutschland nicht durchsetzen. Yeply ist seit Ende vergangenen Jahres insolvent. Schade, denn ein Selbstversuch vor einiger Zeit war durchaus vielversprechend.

Mein Arbeitgeber meinte es gut. Er stellt mir einen Yeply-Sprinter vor die Tür. Das ist ein mattschwarzer Van mit riesigem Y in knallgelb auf der Seite. Eine fahrende Werkstatt, die vorm Bürogebäude mein Fahrrad checkt und wartet. Zumindest verspricht das eine E-Mail, die ich als Mitarbeiter erhalte. Toll, da muss ich natürlich  mitmachen. Nur: Ich habe kein Bike mit Macken.

Egal, lass ich einfach mal meine Merida-Crossmaschine durchchecken. Über die Webpage kann ich einen Yeply-Service-Termin buchen, der sonst 85 Euro kostet. Das finde ich nicht gerade billig, wenn es nur bei einer Durchsicht ohne Neuteileverbau bleibt. Also: Scheppert da nicht doch was an meinem Rad?

Nein! Auch bei der Fahrt zur Arbeitsstätte findet sich kein Defekt: Da klappert nichts, nichts schleift, alles schaltet und bremst. Schade eigentlich, gerne hätte ich die Yeply-Mechaniker mit einem mechanischen Rätsel gefordert.

Der Mercedes-Van steht direkt vorm Eingang zum Bürogebäude. Und mit ihm schon rund 40 (!) Fahrräder, die auf Wartung warten. Kein Zweifel: Das Gratis-Angebot kommt an. Ein Mitarbeiter nimmt meine Daten auf: Name, Handynummer und so weiter. Dann guckt auf mein Rad: "Was sollen wir machen?" "Durchchecken", antworte ich und ergänze: "Ihr könnt ja mal gucken, ob Ritzel und Kette noch gut sind." Sofort zückt der Mann eine Verschleißlehre, legt sie auf die Kette und sagt: "Gelängt, Ritzel muss auch neu." Machen wir immer beides zusammen. Kostet 5 Euro Zuzahlung." Ich nicke. Billiger geht eine Antriebsüberholung nicht.

Erster Eindruck: Die wissen, was sie tun. Das wirkt professionell. Was ein Blick in den Van untermauert. Das Werkzeug stammt von Park Tool. Die Auftragserfassung erfolgt mit Tablets; alles voll digitalisiert. Für mich geht es ab an den Schreibtisch. Auch meine Arbeit ist inzwischen (leider) ziemlich digital. Die Kollegen sind überwiegend im Homeoffice. Konferenzen finden online statt. Und schreiben tue ich nur noch selten analog in meinem Notizbuch. E-Mails und Team-Chats machen das Telefon überflüssig.

Wie es wohl gerade meinem Crossbike ergeht? Wenn es fertig ist, kriege ich eine sms. So die Ansage der Yeply-Crew. Auch so ein Digi-Ding. Alles ist weitgehend automatisiert. Ganz anders wie die Reparatur selbst. Die funktioniert höchst analog. Reifenwechsel-Roboter, automatisierter Kettenöler, der den Schmierstoff per Künstlicher Intelligenz gezielt auf die Glieder dosiert - nee, das hat Yeply noch nicht dabei. Zum Glück.

Yeply-Transporter im Einsatz

Im Gegenteil: Arbeitsbereich, Montageständer und der rollbare Werktisch wirken schon nach kurzer Zeit genau so aus wie in den meisten Fahrrad-Betrieben. Ritzelabnehmer, Schraubendreher, Kettenpeitsche und Konusschlüssel liegen chaotisch zwischen Kaffeetassen und einer zum Aschenbecher umfunktionierten Blechdose mit ausgedrückten Zigarettenstummeln. Warum sollte eine mobile Werkstatt anders aussehen als eine stationäre. Ganz klar: Hier wird gearbeitet. Und das sieht man. Fahrradreparatur ist halt eine dreckige Sache.

Im Laufe des Tages wird die Schrauber-Crew übrigens aufgestockt, um alle Räder abarbeiten zu können. Nach der Mittagspause schrauben vier Mechaniker plus eine Mechanikerin an den Bikes. Und die schaffen was weg. Rund 70 Mitarbeiter beschäftigt das finnische Start-Up nach eigenen Angaben inzwischen bundesweit. Für Yeply ist es nicht einfach, geeignetes Personal zu finden. Zweirad-Mechaniker sind gesuchte Leute. Vor allem solche mit Führerschein. Viele Bewerber für einen Yeply-Schrauber-Job mögen für die Tätigkeit geeignet sein, aber oft fehlt es ihnen an der nötigen Fahrerlaubnis für den Transporter. Das zumindest berichtet ein Insider. Engpässe gäbe es auch bei den Vans, die man gebraucht kaufe und dann mit dem massgeschneiderten Innenausbau versehe. Vier von den Fahrzeugen sind momentan in Hamburg unterwegs. Und nicht nur in der Hansestadt ist Yeply unterwegs. Das Start-Up ist inzwischen auch in Berlin, Düsseldorf und München vertreten. Außerdem sollen Augsburg, Ingolstadt und Köln bedient.

Der Arbeitstag ist für die Crews meist ähnlich aufgebaut: Morgens werden überwiegend Lieferdienste wie Flink und Lieferando versorgt, nachmittags parken die Vans dann an wechselnden Standorten nach dem "Eiswagen-Prinzip". Über die Yeply-Webpage können Kunden einen Termin buchen.

Und wie gut war der Service nun? Eine sms kommt zwar nie, aber um 15.30 Uhr ist mein Rad fertig. Ritzel und Kette hat Yeply gewechselt. "Das macht normalerweise 35 Euro", sagt der Crew-Chef, der viel mit seinem Tablet handtiert und darauf mühsam kleine Icons hin und her schiebt (wahrscheinlich der Grund, weshalb es mit der sms nicht klappte). "Der Arbeitgeber sponsert 30 Euro. Bleiben noch 5 Euro. Bitte mit Karte zahlen", fährt er fort. Tue ich gerne: Für 5 Euro neue Kette und Ritzel inklusive Montage - günstiger geht es nicht.

Im Regelfall hätte die ganze Aktion aber 120 Euro gekostet (85 Service plus 35 Euro Extraarbeiten). Und das ist dann doch eher auf der teur(er)en Seite. Zum Vergleich: Bei Zweiradmechaniker-Meister Stephan Röper, der in Hamburg ebenfalls einen mobilen Fahrradservice betreibt, kostet die kleine Inspektion 39, die mittlere 69 Euro. Der Wechsel von Kassette und Ritzel wird bei ihm mit 26 Euro plus zirka 25 Euro für die Teile berechnet - das ist deutlich günstiger als bei Yeply.

Weitere Arbeiten als die Antriebsüberholung wurden an meinem Rad nicht durchgeführt. Das Einstellrädchen für die rechte Bremse sitzt schief im Anschlagsitz. Dort hat der Mechaniker offenbar den Zug geprüft, die Hüllenhülse aber leider nicht wieder in die Ausgangsposition gebracht und damit den Zustand eher verschlechtert als verbessert. Auch den zu niedrigen Reifendruck des Hinterrades haben die Yeply-Mitarbeiter nicht entdeckt und nicht behoben. Leider! Da ist bei 85 Euro buchstäblich noch Luft nach oben.

Insgesamt aber gefällt mir die Geschäftsidee. Die Story der beiden finnischen Gründer ist sympathisch. Yeply verfolgt einen nachhaltigen Ansatz. So ein Konzept passt zur Klima- und Mobilitätswende. Leider war der Atem offenbar nicht lang und tief genug. Yeply ist Geschichte. Der nächste bitte. Und der heißt Bike Pickup, kommt aus München und verfolgt ähnliche Ziele. Statt vor Ort repariert werden die Räder aber nur abgeholt und dann in einer stationären Werkstatt gewartet. Start ist im Großraum München, weitere Städte in Planung.

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