Heute mittag Ballindamm Ecke Jungernstieg: Ein buntes Tandem lehnt halb umgekippt an einem Fahrradständer. Ein Werberad, also eines, das Reklame für irgendwas oder irgendwen macht. "City-Paintball" steht dran. Schick oder schrecklich? Ich entscheide mich für schrecklich. Das angemalte Ding sieht schrottig aus und verschandelt den Platz vor der Europapassage. Leider keine Ausnahme: Im Umkreis von nur 50 Metern sichte ich gleich drei weitere Reklame-Räder. Die Anhäufung dieser stummen Marktschreier auf zwei Rädern sind ein Problem - nicht nur für mich.
Denn immer öfter nehmen zweckentfremdete Fahrräder wertvollen, öffentlichen Raum in Beschlag. Die anderen, mit dicken Schlössern gesicherten Fahrräder, direkt vor der Eurpapassage sind neuer und besser in Schuß als das runter gekommene Tandem. Sie suchen Kunden für "O2", "Das Fischbistro" und "Subway". Dass zahlungskräftige Firmen mit einem Rad auf sich aufmerksam machen, finde ich grundsätzlich gut. Auch schaue ich mir gerne Fahrräder an, die konstruktiv was besonderes haben oder durch eine auffällige Lackierung glänzen. So gesehen sind die zum Parken verdammten Werbeträger auf Rädern schon anschauliche Exemplare. Das O2-Rad ist ein Lastenrad mit zwei Hinterräder. Dort wo normalerweise Transportgut befördert wird, hat O2 einen rechteckigen Kasten montiert, auf dem an vier Seiten die Werbung prangt. Gleiches gilt für das Fischbistro-Rad - nur ist hier die Werbeinstallation vorne angebracht.
Aber bei den Werbe-Velos geht es nicht ums Rad, sondern ausschließlich um kostenlose Reklame. Denn Flächen für Plakate und Schilder sind teuer, das Parken von Schilder-Drahteseln dagegen gratis. So schlägt beispielsweise eine wechselnde Reklame in einem so genannten Citylight-Board je nach Standort 900 bis 1700 Euro zu Buche - pro Woche versteht sich. Für die Kohle lässt sich locker ein billiges Lastenrad zu einem Werbeträger aufrüsten, das dann mehrere Jahre Dienst tut und sich in einer Haupteinkaufsstraße die Reifen platt gammelt.
Ich stehe vor diesen Dingern mit zwiespältigen Gefühlen. Fahrräder gehören gefahren (ja, ja. ich weiß, ich weiß, in meiner Sammlung sind Spinnweben an einigen Exemplaren zu finden). Die Werberäder stehen ganz offensichtlich wie Blei. Davon kündet zumindest der Flugrost auf den Felgen und die fehlende Luft in den Pneus. Ein Jammer.
Beim motorisierten Verkehr gibt es die Masche schon länger. So stellen Firmen gerne an stark frequentierten Einfall- und Hauptstraßen einen billigen Baumarkt-Anhänger ab, auf dem eine große Werbetafel prangt. Die Sievekingsallee im Bereich des Horner Kreisels ist zum Beispiel ein beliebter Ort für derartige Trailer-Werbung. Juristisch ist das ein Graubereich, denn eine Zweckentfremdung des Fahrzeugs ist nicht so ohne weiteres beweisbar. Hat der Eigner den Anhänger zugelassen, ist gegen ein Abstellen im öffentlichen Raum eigentlich nichts einzuwenden. Da er nicht über längere Zeiträume unbewegt geparkt werden darf, reicht es aus, wenn der Besitzer ihn in bestimmten Abständen bewegt - sei es auch nur ein paar Meter.
Nun scheinen clevere Geschäftsleute diesen fragwürdigen Trick auf Fahrräder zu übertragen. Das Bedenkliche daran: Die Propaganda-Bikes nehmen normalen Fahrrädern die ohnehin schon raren Abstellflächen weg. Ich konnte heute - einem Freitag im Januar - für mein Rad jedenfalls in der Mittagszeit keinen freien Parkplatz finden. An den Bügeln standen einige Verleihräder von Next-Bike und die zahlreichen Räder der Alltagsradler. Ich musste folglich in zweiter Reihe parken und hoffen, dass der Besitzer des Rades, an das ich meines lehnte, nicht vor mir am Tatort erscheint.
Der Termin dauerte zum Glück nur eine Stunde und alles stand so da, wie ich es verlassen hatte. Mein Rad, wie auch die vier Werberäder vor der Europapassage. Und das werden sie sicherlich auch noch die nächsten Wochen. Wetten?
time for some direct action...
AntwortenLöschenEhrlich gesagt sehe ich das Problem etwas entspannter. Da die Werbefahrräder sowieso nicht bewegt werden, kann man doh einfach sein eigenes Rad an eins anschliessen...
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