Dienstag, 20. Mai 2014

Fahrradbörsen im Internet: ein Test und Selbstversuch

Im Autobereich gibt es sie seit Jahren: Gebrauchtbörsen im Internet. Portale wie Autoscout24 oder Mobile sind zu riesigen Unternehmen gewachsen, die Millionen umsetzen und den Gebrauchtwagenmarkt bestimmen. Nun haben sich erste Internet-Plattformen gegründet, auf denen gebrauchte Fahrräder und Teile gehandelt werden. Ich habe zwei Angebote mit einem Selbstversuch getestet.
Deal my wheel: Marktplatz für Fahrrad-Verkäufer und -Käufer
Normalerweise werden gebrauchte Fahrräder über Kleinanzeigenplattformen wie E-Bay Kleinanzeigen, Quoka und andere gesucht und angeboten. Da hat sich offenbar ein funktionierender Marktplatz gebildet, der inzwischen wahrscheinlich auch preisbestimmende Funktion hat. Fahrräder sind dort aber nur ein Teilangebot in einem riesigen Sortiment und zahlreichen Rubriken.

Die Start-Ups "Deal my wheel" und "Bikesale" dagegen bieten ausschließlich Fahrräder an und versprechen so, zielgerichtet Angebot und Nachfrage zusammen zu bringen. Ein gutes Konzept. Warum soll nicht auch bei Fahrräder funktionieren, was bei Autos bestens klappt? Doch sind die Internetbörsen schon ausgereift? Findet man dort wirklich gute Fahrräder? Oder sind die Angebote überteuert? Kurzum: Wie gut funktionieren diese Plattformen?

Um das herauszufinden habe ich mir zwei der Anbieter genauer angeschaut. Ich habe erstens das bestehende Angebot gesichtet, zweitens in einem Selbstversuch probiert, ein Rad zu verkaufen.

1.
Testkandidat Nummer eins hört auf den Namen Deal my wheel und kommt mit einer flippig-modernen Hauptseite daher. Natürlich sind Buttons für Facebook, Google+ und Twitter integriert; heute geht es nicht mehr ohne diese Netzwerke.

Die Seite wirkt bunt, aber aufgeräumt und ist logisch gegliedert. Ein großes Eingabefeld fragt nach der Stadt, in der ein Fahrrad gesucht wird. Nach dem ich Hamburg eintippe, zeigt das Programm 243 Ergebnisse. Sonderlich viel, finde ich, ist das nicht. Wird die Umkreissuche auf 50 Kilometer erweitert, sind immerhin fast 500 Räder im Angebot.

Zum gezielteren Suchen gibt es jede Menge Filter wie Radtyp, Reifengröße oder Hersteller. Die am stärksten vertretenen Kategorie sind Kinderräder. Im Umkreis von 50 Kilometer gibt es 102 Angebote. Rar dagegen sind Dirtbikes. Am Testtag Anfang Mai gab es nur fünf Angebote - aber immerhin. Gut finde ich, dass es auch eine Vintage/Klassiker-Abteilung gibt. Bei Mountainbikes reicht die Preisspanne von zehn bis 2000 Euro.

Ein eigenes Rad zum Verkauf einstellen ist einfach: Entsprechendes Feld klicken und den Anweisungen folgen. Auch der Bilderupload ist im Prinzip einfach, so dass das Angebot nach wenigen Minuten stehen sollte. Trotz schneller Interntverbindung hakt bei meinem Test die Foto-Upload-Funktion manchmal und nimmt nicht alles an, was der Nutzer hochladen möchte. Aber irgendwann sind meine Bilder online.

Nun fehlen nur noch die Interessenten. Und die lassen leider auf sich warten. Weder per E-Mail, noch über Telefon meldet sich jemand auf ein Kinderrad, dass ich ziemlich günstig angeboten haben. Gleiches gilt für das Rennrad. Die Resonanz? Null! Auch nach zwei Wochen tut sich nichts.  "Deal my wheel" zeigt nach dem Login mit einer Zählfunktion, wie oft das Inserat betrachtet wurde. Beim Rennrad waren es nach zwei Wochen 28 Personen. Aber offensichtlich ohne ernste Kaufabsicht.
2.
Testkandidat zwo heißt Bikesale und gibt sich ebenfalls modern und modisch. Die Seite ist übersichtlich mit Funktionen für kaufen und verkaufen gegliedert. Zusätzlich gibt es eine Schaltfläche für eine Fahrrad-Kaufberatung sowie die Möglichkeit, sein Fahrrad schätzen zu lassen. Dazu mailt man Fotos und eine Beschreibung an bikesale und erhält später per E-Mail eine Preistaxierung. Die allerdings halte ich für wenig fundiert.


Ich habe ein Oldtimer-Kinderrad und ein Koga Miyata Stahlrennrad aus den 80er schätzen lassen. In beiden Fällen setzten die Wertermittler nach meiner Erfahrung den Preis eher zu niedrig an. Wer so einen Service anbietet, sollte schon über einen aussagefähige Datenbank oder entsprechende Marktkenntnisse verfügen. Fairerweise muss gesagt werden, dass es sich um zwei Sammler-Fahrräder handelt. Vielleicht sind die "Bikesaler" bei moderneren Gebraucht-Rädern besser im Bilde. Wertschätzungen bei Fahrrädern sind schwierig. In Großstädten sind die Preise in der Regel deutlich höher als auf dem Land. Darum müsste eigentlich ein Standort-Faktor in die Berechnung einfließen.

Das Angebot bei Bikesale ist offensichtlich noch im Aufbau. So ist beispielsweise in den Rubriken Classic Bikes und Low Budget bislang noch gar kein Rad aufrufbar. Auch Tandems und Ersatzteile sind nur ganz wenige zu haben. Das alles soll erst noch kommen. Die Aufteilung in Radgattungen und entsprechenden Unterkategorien finde ich gut. Eine allgemeine Suche über alle Radtypen ist leider nicht möglich, sondern nur in den einzelnen Gattungen - schade.

Eine Suche über Ortsfunktionen und jede Menge Feinfilter ist möglich. Sie gleicht im wesentlich der Struktur, wie man sie von den Auto-Portalen kennt. Aber wie bei Deal my wheel lässt die Nachfrage auf sich warten. Weder das Kinder- noch das Rennrad bringen mir Nachfragen per E-Mail oder Telefon ein. Still ruht der See. Über den gleichen Zeitraum wie bei Deal my wheel erzielte das Rennrad aber 47 Seitenaufrufe - eins zu null für Bikesale also, zumindest was die Reichweite der Anzeige angeht.

Gegenprobe: Zur Einordnung inseriere ich das Rennrad nach der Testphase parallel zum gleichen Preis bei e-Bay Kleinanzeigen. Schon am zweiten Tag habe ich Rückfragen und Interessenten, die Probe fahren möchten. Nach rund einer Woche ist es verkauft. In sieben Tagen hat die identische Anzeige 162 Betrachter angezogen. Ein deutlicher Sieg also für den Kleianzeigenmarkt von e-Bay.

Fazit:
Wer ein Fahrrad sucht, steht bei den speziellen Bikebörsen momentan noch vor einem vergleichsweise dünnem Angebot. Einen echten Nutzwert haben momentan weder "Deal my wheel" noch "Bikesale". Aber das kann sich ja noch entwickeln. In beiden Fällen nennen Verkäufer relativ hohe Preisforderungen.

Auch für Verkäufer funktionieren die Börsen noch nicht so, wie man sich eine lebendige Gebrauchtfahrrad-Plattform vorstellt. Zumindest ziehe ich diese Schlussfolgerung für die beiden testweise von mir angebotenen Räder. Trotz attraktiver Angebote zu eher niedrigen Preisen auf Verhandlungsbasis, meldet sich innerhalb von zwei Wochen kein einziger Interessent. Die Plattformen sind offensichtlich noch nicht als Verkaufswege akzeptiert. Im Vergleich zu den etablierten Portalen wie beispielsweise e-Bay-Kleinanzeigen ist das Angebot klein, die Resonanz für Verkäufer gering. Da steckt also noch Potential für beide Anbieter. Mal sehen, wie sich die Online-Fahrradbörsen künftig entwickeln.
Das Testfahrrad: Ein Koga Miyata Flyer von 1984. Von Bikesale geschätzt auf 100 bis 400 Euro. Angeboten für 395 Euro. Weder bei Bikesale noch bei Deal my wheel kam es zu Anfragen. Bei E-Bay Kleinanzeigen war es schnell verkauft. Erzielter Preis: 355 Euro

3 Kommentare:

  1. moin,
    ich habe bei deal my wheel mal reingeschaut.Recht mysteriöse sortierung.Wenn ich auf Hamburg gehe,dann Hersteller->mehr wird nach Anzahl sortiert, da aber es meistens aber nur eins gibt sind die Hersteller schwer zu finden.Hersteller alle auswählen geht anscheinend nicht?Ich finde das Ganze recht unübersichtlich.
    Gruß CM Fahrer

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  2. Hey, lieber St. Pedali, eben wurden wir auf Deinen Test aufmerksam. Gut geschrieben und schön fundiert getestet.
    Wusstest Du, dass wir am 28.02.2014 mit bikesale.de von Null an gestartet sind? Dein Test war also knapp 3 Monate nach unserem Start. Ich wusste gar nicht, dass wir schon nach 3 Monaten besser performt haben als Deal my Wheel.

    Nun sind aber viele weitere Monate vergangen und wir sind bald 2 Jahre alt. Vieles hat sich verbessert.

    Ich lade Dich ein, uns erneut zu testen. Vor allem würde mich interessieren, wie Du die Veränderung beschreibst. Meld Dich einfach mal bei support @ bikesale.de, dann schicken wir Dir einen Gutschein für ein kostenloses Inserat.

    Viele Grüße
    Axel

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    1. Danke fürs Feedback. Ich schaue mir die Seiten demnächst gerne nochmals an und bilde mir eine aktualisierte Meinung. Danke auch für das Gutschein-Angebot, aber als unabhängiger Leser-Käufer-Verkäufer-Berater teste ich weiterhin anonym, investigativ, offen und ehrlich. Mit Gutschein tut man sich bei Kritik dann meist schwerer. Fürs Portal wünsche ich toi, toi, toi...

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