Freitag, 24. Juli 2015

Pimp my Klapprad: Veredelung, Individualisierung und Umbau eines Schrottfahrrades

Von zero to...
Ich habe ein Faibel für alte Klappräder. Sie verströmen typisches 70er Jahre Flair. Damals gab es schöne, kräftige Lackierungen - in knallgelb, giftgrün oder metallicgold. Dazu tolle bis kuriose  Techniken wie die F&S Duomatic oder Klappscharniere unterschiedlichster Art. Klappis sind einfach Kult. Doch nur selten findet man komplett originale und gut erhaltene Exemplare. Die meisten sind inzwischen verrostete, traurige Wracks, die im Sperrmüll landen oder auf dem Flohmarkt für zehn Euro zu haben sind. So ein Schrottrad ist eine gute Basis, um daraus einen witziges Cruiser-Bike für Funtouren zu kreieren. Ich hab bislang zwei Klappis gepimpt und freue mich auf jede Fahrt mit ihnen. Nach meinem Erstlingswerk - ein HEW im Bonanzastil - wollte ich einfach noch mehr und habe ein rotes Universal nicht nur verchromen lassen, sondern komplett auf edel und auffällig getunt.
...hero. Mein Pimp-Klapprad vor und nach Restaurierung

Die Vorgeschichte:

Es fing ganz harmlos an. Ein altes Klapprad sollte mir zu Studienzwecken dienen. Ich wollte wissen, wie Fahrräder konstruiert sind, wie man sie zerlegt, zusammenbaut und repariert. Und zwar bis in den letzten Kugellagering. Dazu kaufte ich mir ein runtergekommenes HWE-Klapprad mit übermaltem Rahmen und etlichen Defekten. Das zerlegte ich komplett, überarbeitete reparable Teile, lackierte den Rahmen mit der Sprühdose, kaufte coole Komponenten, speichte selbst neue BMX-Laufräder ein und zog auffällige Bereifung auf. Das Ergebnis dieser autodidaktischen Aktion sieht so aus:
Pimp-Klappi Vol. 1

Über dieses Rad und seine Wiederauferstehung schrieb ich bei Helmuts-Fahrrad-Seiten einen Erfahrungsbericht, der erstaunlicherweise rasch zu den meistgelesensten Artikeln aufstieg. Inzwischen habe ich mit meinem ersten Pimp-Klappi viele Kilometer zurück gelegt, immer mal wieder was geändert und optimiert. Höhepunkt war bislang die Teilnahme damit am World Klapp in Berlin - ein ganz besonderes Radrennen. Aber das ist eine eigene Geschichte. Irgendwie ist mein Pimp-Klappi Nummer eins ziemlich zuverlässig; Defekte kennt es nicht, zu reparieren ist nichts. So wuchs der Wunsch nach Pimp-Klappi Nummer zwo. Wie das so ist: Beim ersten übt man, bei zweiten soll alles besser, hochwertiger und noch perfekter werden. Wie zum Beispiel der Rahmen. Denn oft habe ich mich gefragt, ob man einen Fahrradrahmen nicht verchromen kann. Für die Beantwortung dieser oft gestellten Frage ist ein Klapprad als Studienobjekt ideal.

Pimp-Projekt Vol. 2:

Die Ausgangsbasis war schnell gefunden und kostete 30 Euro: ein klappriges Klapprad der Marke Universal. Toller Name für einen Falter, der in Wirklichkeit ein Zerlegrad ist - Vorder- und Hinterteil lassen sich am Sattelrohr separieren. Eine feine Sache, denn so lässt sich das Rad noch praktischer und variabler verstauen.
Namenschriftzug auf dem Hauptrohr: Universal
Ruckzuck war das Universal zerlegt. Dieses Mal habe ich Altteile nicht aufgearbeitet, sondern frisches Material soll das Rad aufwerten. Den zweiteiligen Rahmen habe ich mit Abbeizer entlackt, anschließend mit der Bohrmaschinen-Topfbürste gecleant, dann immer und immer wieder mit Schleifpapier behandelt, bis eine ebene Oberfläche entstand. Das reicht allerdings noch lange nicht, um den Rahmen zu verchromen. Nach dem Schleifen habe ich poliert - eine Wissenschaft für sich. Man beginnt mit einer Sialscheibe und passendem Poliermittel, wechselt dann zu immer weicheren Polierscheiben. Zum Schluss kommt eine weiche Baumwollscheibe und ganz feine Paste; sie bringt den Stahl auf Hochglanz. Nun sollte der Rahmen sofort mit Plastikfolie konserviert werden und schnellstmöglich zum Verchromer oder - wer länger wartet - mit einem Ölfilm vor Korrosion geschützt werden. Wer das nicht macht, kann zusehen, wie die Oberfläche Flugrost ansetzt.
Ausgangsprodukt: Rahmen und Gabel


Oberfläche vor...
 Zentrale Frage: Wer verchromt Fahrradrahmen? Antwort: Eigentlich keiner oder zumindest keiner gerne. In Fahrrad-Foren werden die Vor- und Nachteile heftig diskutiert. Unter anderem soll es dabei zu Wasserstoff-Versprödungen kommen, die vor allem dünne Rohre bruchgefährdet machen. Ich halte das für Panikmache. Ein ordentlich glanzverchromter Klappradrahmen dürfte keine Materialschwächungen durchs verchromen erleiden. Nach längerer Suche habe ich einen Galvanikbetrieb gefunden, der mir den Rahmen verchromt hat. Auch er hat mir abgeraten, weil er kein gutes Glanzergebnis erwartete.

... und nach Einsatz der Poliermaschine.
Für mich ist das Resultat schön. Die Hauptrohre glänzen fast wie ein Spiegel in der Sonne, die Muffen dagegen schimmern eher matt mit viel technischem Charme. Was will man mehr?
Ergebnis: verchromte Rahmenteile, hier noch die alte Gabel. Später ersetzt durch eine 20 Zoll-Springer-Gabel

Nun, dieser spiegelnde Rahmen verdient gute Anbauteile. Als Gabel wählte ich eine Springer Fork für 20 Zoll-Räder, die Classic Cycle für 50 Euro im Programm hat. Dazu schwarze Kastenfelgen mit schwarzen Speichen, Duomatic hinten und für klassischen Look eine F&S Trommelbremse vorn.





















Die kleine Springergabel erwies sich als zu kurz fürs Rahmensteuerrohr, das ich kurzerhand mit der Eisensäge kürzte. Anschließend Steuersatz rauf, verschrauben, Spiel einstellen und siehe da: passt, wackelt nicht und hat kein Spiel. Perfekt!

Mein Ziel: ein möglichst individuelles und auffälliges und hochwertiges Klapprad. Darum die spezielle Vorderradbremse - eine F&S VT 3000. Das war lange ein Massenprodukt, hunderttausendfach verbaut in Hollandräder, Stadtbikes und Co., meistens in einem 28er Vorderrad. So ein Exemplar habe ich ausgespeicht, gereinigt, geschliffen, rot lackiert und mit neuen Bremsbelägen und Lagern bestückt. Denn die Bremse soll später farblich mit den roten BMX-Reifen korrespondieren. Wichtige Erkenntnis: Auch für ältere Teile wie die Trommelbremse lässt sich mit etwas Recherche noch fast jedes Ersatzteil auftreiben.

Eine rote Trommelbemse ist mir noch nicht unter gekommen. Das Original trägt einfachen Aluglanz. So aber setzt das gute Stück einen besonderen Akzent, wie bei einem Hochleistungs-Sportwagen.
Frisch lackierte Fichtel & Sachs Trommelbremse

Immer wieder ein Spaß ist das Einspeichen von Laufrädern. Mittels Speichenrechner ermittelte ich die richtige Länge für 20 Zoll Felge für F&S Duomatic wie für die Trommelbremsenabe. Am besten man misst das selber aus, denn zumindest meine neuen Kastenfelgen weichen etwas von der gängigen Umfangsnorm ab; folglich wollte der erste auf Millimeter bestellte Speichensatz nicht passen. Also nachgemessen und einen zwei Millimeter kürzeren Satz bestellt. Und siehe da: Der hat die richtige Länge. Nach Internet-Anleitung speiche ich nun das Laufrad ein. Das erfordert viel Konzentration. Wohin gehört welche Speiche? Besonders das spannen und zentrieren braucht Geduld. Doch dann läuft die Felge irgendwann rund. Ein Erfolgserlebnis!
Einspeichen! Macht Spaß und übt.


Nächster Schritt: die Montage! Zunächst breite ich fast alle Einzelteile aus und denke: Eigentlich ziemlich übersichtlich. Der Zusammenbau sollte kein Problem sein. Auf geht's!
Alle Komponenten in der Übersicht.
Zunächst füge ich den Chromrahmen zusammen. Die Originalschrauben der Rahmenverbindung ersetze ich durch V2A-Bolzen und Rändelschrauben. Das sieht besser und solider aus. Dann folgt das einpassen der Springergabel. Danach sind die frisch pulverbeschichteten Schutzbleche dran. Räder rein und neue BSA-Tretlagerpatrone statt offener Innenlagervariante. Der Kurbelsatz ist ebenfalls schwarz beschichtet und passt ins Bild.



Besonders bei den Details gebe ich mir Mühe und spendiere dem Kurbelschrauben spezielle Abdeckkappen aus rot eloxiertem Alu. Kostenpunkt: elf Euro Pro Seite - also fast so viel wie das gesamte Rad bei Anschaffung.
Wichtig ist mir auch die Elektrik. Nabendynamo fällt wegen der Trommelbremse fällt aus. Seitenläufer stört die Optik. Eine Akkulösung muss her. Unter- und Hauptrohr sind ideal Aufbewahrungsorte für NiMh-Akkus der Größe Sub-C oder 2/3 Sub-C, wie sie im Fachhandel oder bei Modellbaushops zu haben sind. Natürlich landen die Zellen nicht einfach so in den Rohren, sondern ich deponiere sie in 25 Millimeter PVC-Rohren aus dem Baumarkt. Für die Rohrenden konstruiere ich zwei Deckel, in die ich Druckfedern integriere, damit einwandfreier Kontakt zu den Akkupolen gewährleistet ist.


Es folgt die Verkabelung. Üblicherweise wird am und im Fahrrad ja Litze verarbeitet. Ich benutze einfachen Klingeldraht. Der ist nicht nur billiger, sondern lässt sich zudem gut im Schutzblechrand verklemmen, weil dieses Kabel eher steif ist. Nachteil: Die Isolierung neigt schnell zu  Verletzungen - Kurzschlussgefahr. Zur Durchführung im Tretlagerbereich baue ich mir aus einem dünnen Rohr eine Verschraubung, in dem ich ein M6-Gewinde auf Rohr schneide. Diese Hohlschraube ist Schutzblechbefestigung und Kabeldurchführung in einem. 



Rücklicht mit Akkubetrieb
Als Rücklicht benutze ich ein NOS-Teil aus den 60er Jahren und belasse es bei der normalen Sechs-Volt-Birne, die mit den fünf Akkus ein wunderbar helles und gleichmässiges Licht abgibt.

Frontscheinwerfer mit gelber LED
Als Hauptscheinwerfer kommt eine klassische Chromlampe zum Einsatz. Da ich zehn 1,2 Volt Akkus im Hauptrohr versteckt habe, steht mir zwölf Volt-Spannung zur Verfügung. Darum wechsle ich vorn die Sechs-Volt-Glühbirne gegen eine Zwölf-Volt-LED mit E-10-Fassung in gelb aus. Das Licht strahlt wunderbar nostalgisch nach vorn.

Bunte Frontbeleuchtung mit maritimen Touch
Und weil das bis hierher alles so gut klappte, habe ich mich entschieden, die Beleuchtung weiter aufzubrezeln. Strom habe ich ja reichlich im Hauptrohr. Es spricht also nichts dagegen, weitere Lampen  an den Hirschgeweih-Lenker zu plazieren. gedacht, getan: Drei (!) weitere Chromscheinwerfer wandern an den Lenker. Und jetzt wird es bunt: Als Lampen verwende ich LED - eine in rot (Backbordseite), in grün (Steuerbord) und (gelb). Ein bisschen Spaß muss sein. Gesetzesonform ist das alles nicht. Dafür müsste die Lichtanlage sechs Volt und einen Dynamo haben. Dabei ist meine Lösung viel sicherer, weil so auch eine Standlichtfunktion realisiert ist.

Zwei Mal gelb ist nicht schön. Darum habe ich in den unteren Scheinwerfer eine superhelle Kaltweiß-LED platziert - als Hauptlicht so zu sagen.

Im roten Bereich

Noch ein par Worte zu den Details. Die Bowdenzugenden habe ich nicht wie üblich mit Klemmhülsen gegen aufdrehen gesichert, sondern edel Hülsen mit Gewinde verschraubt - natürlich auch hier in rot.

Verschraubte Bowdenzug
Gleiches gilt für die Radmuttern. Sie sind rot eloxiert und stammen von der Londoner Firma Brick Lane Bikes und tragen das entsprechende Logo, das aber leider mit jedem Ring- oder Maulschlüsseleinsatz leidet.
Radmuttern von BLB

Bei soviel rot sollten auch der Bremshebel passen. Ich haben ihn von einem Metallveredelungsbetrieb rot eloxieren lassen. Das sieht super aus - auch wenn es eigentlich ein Griff für die linke Seite ist. Die Bowdenzughülle ist geflochten und ebenfalls rot. Die Griffe sind neben dem aufpolierten Fontscheinwerfer die einzigen Altteile. Es sind typische 70er Jahre-Griffe, gut erhalten und in guten Zustand. Da gibt es wenig zu meckern und zu pimpen.


Die eine oder andere Änderung werde ich sicherlich noch vornehmen. Zum Beispiel würde ich gerne eine Lasergravur auf dem Rahmen anbringen. Wer kennt sich damit aus? Die erste Prototypenausfahrt mit Pimp-Klappi Vol. 2 habe ich während der Fahrrad-Sternfahrt absolviert. Als echte Jungfernfahrt ist Critical Mass HH Ende August geplant. Stay tuned.

4 Kommentare:

  1. Ist mir fast schon peinlich, hier so viel zu kommentieren. Aber die Grundlage des Pimp-Projekts #2 ist mir gut bekannt. Ich habe mein Zerlegerad desselben Typs hauptsächlich wegen des interessanten Rahmens mit seinen 'gussets', 'Knotenblechen', gekauft. Der Rahmen ist leider weiß überpinselt, von "Universal" ist also nichts zu sehen, auch sonst keine Bezeichnung an den Rohren, aber das "Favorit" auf dem Lenkervorbau verweist auf die ČSSR. Nach ein bisschen Forschen konnte ich das Rad als "Eska" (eine Marke derselben Firma, die auch Favorit-Räder baute) identifizieren. Und ja, dieses Modell gab es auch als Universal, sagt die tschechische Quelle: "Eska Special nebo taky Univerzál vzor 612", "Eska 'Special' oder auch Univerzál 'Mod. 612'".
    Meine historische Neugier ist erst einmal gestillt. Die Renovierung muss noch warten, bis ich irgendwann einmal einen günstigen Pulverbeschichter finde.

    AntwortenLöschen
  2. Hallo,
    für meine Kleine hatten wir zunächst ein Lauflernrad, damit sie das Gleichgewicht trainiert. Wir hatten mehrere Kinderfahrräder zur Auswahl. In der Verwandtschaft sind die letzten Cousins und Cousinen gerade groß genug dafür. Jetzt ist sie mit einem leuchtend rosa Fahrrad unterwegs.
    Ich habe schon mehrfach überlegt, ob man die Kinderfahrräder nicht auseinanderschrauben und eine andere Farbe geben kann.
    Danke, dass du alles so ausführlich dokumentiert hast.

    Liebe Grüße
    Louise

    AntwortenLöschen
  3. Sehr schöner blog über die aufbereitung von den fahrrädern gerade das polieren hat mich angetahen da ich im bereich Profi Poliermaschine - Autowachs - Nano Lackversiegelung - Politur Flüssigkeit - Schleifpaste - Hochglanzpolitur komme.

    MfG

    Marco

    AntwortenLöschen
  4. Aktuell entdeckt und mit freudigem Interesse nahezu verschlungen deinen Bericht!
    Habe ein mit vielen originalen Altteilen restauriertes Klappi, passend zur Wagenfarbe meines Oldtimers und mir gerade heute ein weiteres Klappi gekauft um dieses dann ganz nach meinem eigenen Geschmack zu pimpen.
    Mit Gimmicks wie gefederten Hinterbau und außenliegenden Stoßdämpfern und genau so einer Trommelbremse wie deins.
    Mal sehen wohin mich mein Weg führt, die ein oder andere Idee wird sich finden.

    AntwortenLöschen