Sonntag, 23. August 2015

Cyclassics mit dem Fatbike: Radrennen auf dem Bergamont- Bike-Traktor

Fatbike im Ziel - mit 32er Schnitt!
Klar. Radrennen fährt man mit einem Rennrad. 18 Mal habe ich das bei den Cyclassics gemacht, meistens mit einem Alurenner, manchmal mit einem Stahl-Rennradoldtimer. Das wurde mir etwas langweilig. Darum fahre ich seit vergangenem Jahr mit Rädern, die scheinbar ungeeignet für Radrennen sind. 2014 saß ich auf einem Moulton-Zerlegerad und absolvierte die 100 Kilometer-Distanz. Dieses Jahr bin ich mit einem Fatbike auf der 55er-Strecke angetreten. Ein tolles Erlebnis.
Fatbikes! Das sind die Monsterräder mit den grobstolligen Riesenrädern. Die Bike-Bulldozer wurde in Alaska erdacht, um dort durch Tiefschnee zu fahren. Hierzulande sind sie gerade ein heißgehandelter Trend. Auf der Eurobike nächste Woche wird es neben E-Bikes ganz, ganz viel um Fatbikes gehen. Sie sind vor allem eine interessante Alternative zum Mountainbike und könnten besonders den 29ern mächtig Konkurrenz machen.

So weit, so gut. Die Firma Bergamont hat mit dankenswerterweise ein Deer Hunter Fatbike für ein paar Wochen ausgeliehen. Im Gelände hat es mich sofort überzeugt. Dazu mehr demnächst in einem gesonderten Post. Aber wie fährt es sich zügig auf der Straße? Oder kann man damit wirklich ein Radrennen fahren? Eher nicht! Der rote "Reh Jäger" (Deer Hunter) sieht einfach zu martialisch aus, zu wuchtig, zu schwer, zu träge, zu unhandlich. Das Ding gehört in den Wald, besser in die Kiesgrube an den Strand von St. Peter Ording oder eben in den Tiefschnee von Alaska. Aber ganz bestimmt nicht zur Jubiläumsauflage der Vattenfall Cyclassics.

Aber genau das hat mich gereizt. Ein Radrennen mit dem Fatbike. Da mein Trainingszustand dieses Jahr miserable ist, will ich es bei der 55er Distanz belassen. Die 100er auf den Moulton vergangenes Jahr waren an Steigungen schon eine Quälerei.

Gleich beim Einsortieren in den Startblock E kriege ich was von einem rotgewandeten Safer Cycling Guide zu hören: "Wat soll dat denn? Für das Ding brauchst Du ja Dynamit in den Beinen", scherzt er. Ich liebe solche Reaktionen. Im Startblock wird das Bergamont eifrig begafft und kriegt jede Menge Kommentare: "Guck mal die Reifen!" Oder: "Wahnsinn, was für Räder." Oder: "Hier ist Hamburg und nicht Timmendorfer Strand." Oder: Will der damit wirklich fahren?"
Vorm Start aus Block E: Matthias mit Geraderlenker-Allzweckwaffe und
der Autor mit Bergamont Fat Bike Deer Hunter

Ja, will er. Und zwar im Genießertempo. Zumindest ist das von meinen Freund Matthias und mir so geplant. Matthias steht mit seiner "Cube-Rennrad-Gelände-Allround-Ich-Kann-Alles-Allzweckwaffe" neben mir. Seine 35 Millimeter Schwalbe Kojak wirken wie Fex-Trennscheiben neben den vier Zoll (ca. 102 mm)  breiten Jumbo Jim Ballonreifen - sie sind also fast drei Mal so breit. Was für ein Unterschied. Besonders extrem sieht das neben der Bereifung der zahlreich vertretenen Carbon-Rennmaschinen aus.

Dann geht es los! Und zwar flott: Dammtor, Fernsehturm, Schlump, raus Richtung Volkspark, fast alles im höchsten Gang und mit passendem Windschattenpartner. Oft ist das Matthias. "50 km/h", ruft er als wir ein leichtes Gefälle runterkurbeln. In der Ebene und bergab kann das Fatbike gut mit der Rennradmeute mithalten. An Steigungen indes werde ich deutlich langsamer; Matthias ist schneller und muss jedes Mal auf mein Fatbike warten.

Trotzdem: Verblüffend, wie zügig das Rad über die abgesperrte Strecke düst. Der Rollwiederstand ist niedriger als die superbreiten Reifen signalisieren. Es ist ja ohnehin ein Irrtum zu glauben, das schmale Reifen weniger Rollwiderstand haben als breite. Oft ist sogar das Gegenteil der Fall, wie man in mehreren  physikalischen Abhandlungen nachlesen kann. Auf jeden Fall sind zahlreichen Mitfahrer überrascht übers Tempo des Fatbikes. An den schnelleren Passagen fehlt mir leider ein höherer Gang; sonst wären wohl auch noch mehr drin als eine Spitze von 50 km/h. Aber wollen wir mal die Kirche im Dorf lassen: Ab etwa 30 km/h wächst beim Deer Hunter natürlich der Luftwiderstand viel stärker als bei einem Sport- oder Rennrad. Der breite Lenker erlaubt natürlich keine aerodynamische Sitzposition. Auch Rahmen und Räder sind natürlich alles andere als windschnittig.
Noch ein Zielfoto bei blauestem Himmel: Die 20.
Cyclassics waren entspannt. wir waren uns einig -
die 100er Strecke hätten wir ähnlich schnell geschafft

Markant ist vor allem das laut mahlende Abrollgeräusch der Superbreitreifen. Das spüre ich, weil sich immer wieder Rennfahrer umdrehen und überrascht bis erschrocken auf das Faty blicken. Pirsche ich mich in einen Windschatten, reagieren die Vorderleute sofort irritiert. Mein Rad klingt wie eine Motocrossmaschine, Quad oder Geländewagen bei dem der Motor ausgefallen ist - ein prägnantes, mittelfrequentes, lautes Surren, das hauptsächlich von den kräftigen Blockstollen verursacht wird. Mehrfach blicke ich meinen Mitfahrer ins Gesicht und entschuldigen mit mit der rhetorischen Frage: "Nerviges Geräusch oder?" Doch die meisten finden das gut, finden das Geräusch beruhigend.

Immer wieder bekomme ich ein lautes "Respekt" entgegen geschleudert. Das tut natürlich gut, wobei ich mir nicht sicher bin, wie viel Respekt ich wirklich verdiene. Denn das Rad rollt wirklich besser als es aussieht. Und es ist auch leichter als es aussieht: Geschätzte zwölf  Kilo sind für die Größe wirklich mehr als okay.

So fliegen die Dörfer nur dahin: Holm, Wedel und schon sind wir am gefürchteten Kösterberg. Kurz geht es übers Kopfsteinpflaster. Viel zu kurz. Auf dem Fatbike hätte ich gerne mehr davon, am liebsten die gesamte Strecke. Aber leider geht es bergauf und das mag das Faty überhaupt nicht gerne. Oder bin ich es, der keine Körner mehr hat? Wie würde ich mich jetzt auf dem Rennrad fühlen?

Zügig geht es runter nach Teufelsbrück. Das Bergamont liegt erstaunlich stabil. Auf rasche Lenkbewegungen reagiert es indes träge; die Reifen laufen gerne Spurrillen nach. Darum ist ein fester Griff am breiten Lenker gefordert. Beim Windschattenfahren fällt mir noch auf, dass der Abstand zum Vordermann nicht so gut durch die Pedaltritte zu regulieren ist wie beim schmalreifigen Rennrad. Einfach mal einen Tritt auslassen, um nicht den Hinterreifen meines Vordermannes zu touchieren, reicht nicht. Das Faty baut nicht so leicht Tempo ab. Und das mit den giftigen Hydraulik-Scheibenbremsen ist auch nicht so einfach. Die packen extrem zu und sind nicht so fein dosierbar wie Rennrad-Felgenbremsen - also besser etwas Sicherheitsabstand lassen.
Wo ein Fatbike auftaucht, fallen lange Schatten

Und dann ist es schon passiert: Das Ziel naht. Flott runter die Königstrasse, noch mal kurz auf der Reeperbahn leiden, denn hier steigt die Straße leicht an. Schon hören wir das Rassel- und Klopfkonzert auf der Mö. Leider müssen wir kurz zuvor noch einem heftigen Sturz auf der Zielgerade ausweichen. Das hier offenbar immer noch Sprintduelle ausgefahren werden, ist nicht nur völlig unnötig, sondern gefährdet viele andere. Die Gestürzten sahen nicht gut aus, ein fieser Anblick. Hoffentlich geht es den Betroffenen gut.

Mit diesen Gedanken rolle ich 100 Meter hinter Matthias durch den Zielbogen, höre meinen Namen. Immer wieder ein schönes Gefühl. Fahrtzeit 1:46:05 steht später in der Ergebnisliste. Macht Durchschnitt von 32,64 km/h - ganz ordentlich für ein fettes Fatbike finde ich.

5 Kommentare:

  1. Klasse, klasse, aber was soll man von Dir auch erwarten?!Was wohl im nächsten Jahr dran ist? Ich bin mal gespannt.

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    1. Danke Kerstin! Tja, was es wohl nächstes Jahr wird? Keine Ahnung! So langsam gehen mir die Ideen aus....

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  2. Vollverschaltes Liegerad!

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