Montag, 21. August 2017

Cyclassics 2017: kleine Räder, großes Rennen


Der Anruf kam kurzfristig: "Fahren wir die Cyclassics", fragt mein Freund Matthias wenige Tage vor der diesjährigen Veranstaltung. Eigentlich wollte ich nicht. Und eigentlich sind 92 Euro für die 60 Kilometer-Strecke eine Frechheit. Aber dann standen wir Sonntag um acht Uhr doch am Start. Wie es dazu kam, ist einigermassen kurios. Und dann war da ja auch noch die Frage: Womit fahre ich dieses Jahr?
Nach Vintage-Rennrad, modernes 20 Zoll-Moulton ZerlegbikeFatbike und vergangenes Jahr 70er Jahre Touren-Tandem sollte es dieses Mal natürlich wieder etwas Besonderes sein. Nach kurzer Überlegung entschied ich mich für mein Moulton Deluxe -  ein legendäres englisches Fahrrad, das für ein Jedermann-Radrennen einige Spezialitäten zu bieten hat. Leider gibt es bei den Cyclassics ja nur eine Tandem-, keine Spezialrad-Wertung. Mit der Laufradgröße 16 Zoll - eigentlich ein Mass für Kinderräder - bin ich aber nicht der einzige Exot im Feld, wie ich später im Ziel feststelle. Ein Brompton mit Startnummer rollte an mir vorbei.  Sein Fahrer ist ebenfalls auf den kleinen Laufrädern bei Deutschlands größtem Jedermann-Rennen angetreten.

Wer wohl die 16 Zoll-Wertung gewonnen hat? Ein Alleinstellungsmerkmal sind meine 16 Zoll Reifen also nicht. Bessere Chancen für meinen Einzeltäter-Anspruch dürfte das Baujahr meines Rades liefern: 1964! Ein echter Oldtimer also. 53 Jahre alt. Antiquierteres Material habe ich nicht gesehen. Eine Statistik führt der Veranstalter nicht - sehr schade.

Dass ich zusammen mit Matthias, Jens und Andre am Start stehen konnte, war dann übrigens pures Glück. Zu einer reguläre Nachmeldung für 92 Euro mochten wir uns nicht durchringen. Darum haben Matthias und ich an einem Gewinnspiel teilgenommen und tatsächlich vier Startplätze gewonnen - was für ein Zufall.

Kurz nach acht rollen wir vier durch den Startbogen vorm Dammtor-Bahnhof und nehmen Fahrt auf. Auf der Fruchtallee der erste Tempotest: Bei rund 35 km/h komme ich an meine Grenze. Viel schneller geht nicht. Die Viergang-Sturmey-Archer-Nabe gibt nicht mehr her, links ziehen die flotten Rennräder vorbei. Aber auch rechts fahren Rennräder, etwas langsamer als wir. Ein schönes Gefühl.

Nach gut zehn Kilometern vermeldet Matthias beim Blick auf seine Roadbike-App: "Das könnte ein 30er Schnitt werden." Nun ja, sind ja noch 50 Kilometer bis ins Ziel. Mal sehen, ob wir das Tempo tatsächlich halten können. Können wir! Wir hangeln uns durch die Gruppen, suchen stets den richtigen Windschatten, dadurch geht es zügig voran.

Manchmal drehen sich Mitfahrer irritiert um. Das liegt an meinem Seitenständer, der auf Unebenheiten komisch klappert. Scheint auf einige bedrohlich zu wirken. In Schulau am Willkommenshöft bläst uns kräftiger Wind ins Gesicht. Hier stellen Jens und ich auch fest, dass wir Andre und Matthais verloren haben. Ursache: Andre war die Kette abgeflogen. Wieder an unsere Gruppe zu kommen, fordert die beiden mächtig.

Und dann ist er schon da, der leidige Kösterberg. Es wird eng. Es wird langsam. Es wird gestöhnt. Aber nur kurz. Dann geht es flott runter zum Blankeneser Bahnhof und auf die Elbchaussee. Noch kurz die Reeperbahn rauf, schon naht das Ziel. Mit lauter Anfeuerung und Bandengeklatsche geht es durch den Zielbogen. Geschafft, mit 16 Zoll Reifen auf einem englischen Oldtimer-Exoten. Das alles übrigens bei Sonnenschein und Rückenwind. Viel schöner kann ein Jedermann-Rennen nicht werden. Gut, dass wir gestartet sind.

Und unserer Durchschnittstempo kann sich sehen lassen: 30,56 km/h! Matthias hat uns sogar noch etwas schneller mit seiner App gemessen.

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