Montag, 6. Mai 2024

Prominenter Besuch: Anjes Tjarks bei Fix & Fertig

Fix & Fertig ist eine Fahrradselbsthilfe in HH-Wilhelmsburg, die ich seit drei Jahren mit einer Handvoll Mitstreitern betreibe. Jetzt hat uns der Hamburger Verkehrssenator besucht. Eine schöne Anerkennung für unsere Arbeit.

Mit Schwung rollt er auf den Hof. Der Helm baumelt am Lenker. "Wir haben gemailt", ruft mir Anjes Tjarks entgegen, während er sich aus dem Sattel seines Trekkingrades schwingt. Im Gefolge hat der Hamburger Verkehrssenator rund 20 grüne Lokalpolitiker und verkehrspolitisch interessierte Tourteilnehmer. Es bildet sich eine große Traube um unsere Reparaturständer und den Werkzeugwagen: prominententer Besuch, großer Bahnhof . 

Anjes Tjarks ist so wie sein Fahrradhelm am Lenker: locker. Ein nahbarer Typ. Ein Spitzenpolitiker zum Anfassen. Ein Turnschuhsenator, aber es gibt auch Anzug-Bilder von ihm mit blauer Krawatte. Auf jeden Fall ist er einer, der gut zuhören kann. Er fragt nach meiner Kindheit und Jugendzeit. Die spielte sich in und um die Otto-Hahn-Gesamtschule in Jenfeld ab. Er besuchte das Gymnasium Marienthal ein paar Kilometer weiter. Wir kommen also aus der gleichen "hood". Gut möglich, dass seine Eltern in den 80er-Jahren Kunden im Blumenladen meiner Eltern in der Rodigallee waren. Smalltalk mit Anjes.

Dann folgt der Bigtalk: "Möchtest Du erklären, was ihr hier macht?", fragt einer aus der Runde. Klar möchte ich und erzähle, wie es zu Fix & Fertig gekommen ist, wer zu uns kommt und warum wir jeden Donnerstag ehrenamtlich Fahrräder reparieren und dabei sind, einen Biker-Treffpunkt zu etablieren.

So ein Hotspot ist genau das, was auf der Tjarks-Agenda weit oben steht: den Radverkehr voranbringen, das Biken cool machen. Natürlich geht es dabei auch um den Erfolgsfaktor Team. Tatsächlich sind wir mit Thomas, Kike, Kevin, Mirbas, Severin, der Tresen-Truppe um Beate und Nils, neuerdings Hannes unseren beiden MitMachern inzwischen eine kleine Gemeinschaft geworden, auf die wir stolz sein können. Und dass der Hamburger Verkehrssenator sich Zeit für dieses Projekt nimmt, ist eine schöne Anerkennung. Ich beende den Kurzvortrag mit der Feststellung, dass wir mit Fix & Fertig auch einen Beitrag zur Verkehrswende leisten. Der Senator klatscht in die Hände; allen anderen applaudieren auch. Mission completed!

Dann setzt sich der leidenschaftlichen Radfahrer Anjes auf eines meiner Bonanzabikes, dreht eine Runde und kommt mit der Erkenntnis zurück: "Cruiser-Feeling, man muss aufpassen, dass das Vorderrad nicht plötzlich nach oben steigt." Stimmt Anjes. Das war übrigens einer der Gründe, warum Bonanzaräder nach kurzer Blüte Mitte der 70er-Jahre wieder von der Bildfläche verschwanden. Damit er künftig mitreden kann, habe ich ihm die Bonanzarad-Bibel geschenkt. Zeit für die Lektüre wird er kaum haben. Doch anders als bei so manchem anderen Politiker bekomme ich das Gefühl, Anjes ist authentisch. Statt Interesse zu heucheln, das Wahlvolk zu bespaßen und positive Bilder zu produzieren wirkt er ehrlich interessiert.

Im Tagesgeschäft hat es Anjes Tjarks nicht leicht. Die CDU nennt ihn "ahnungslosen Totalversager", die FDP spricht bei Hamburgs Verkehrspolitik von "grüner Geisterfahrt" und AfDler machen Tjarks für Schließungen im Einzelhandel verantwortlich, weil Kunden nicht mehr mit dem Auto in die Stadt fahren. Sogar parteiintern hagelte es Kritik von der Grünen Jugend wegen Unterbezahlung und Lenkzeiten-Missachtung beim Busunternehmen Umbrella, das im Auftrag der Stadt aktiv ist. 

Dass die politische Opposition Tjarks für einen grünen Ideologen hält, liegt auf der Hand. Wer Autoparkplätze für Radstreifen opfert und den ÖPNV statt des motorisierten Individualverkehrs fördert, kriegt in der Wirtschaftsmetropole Hamburg sofort das Wohlstandsverlustargument und die Bedeutung des Hafens als Ablehnung für seine Politik um die Ohren gehauen. Schade, denn die Probleme sind komplexer als diese Schwarzweißmalerei.

Im Hamburger Senat wirkt Tjarks auf mich als ein Macher. Kein anderer Senator scheint so mutig und engagiert; offenbar scheut er auch kräftigen Gegenwind nicht. Neben den grünen Senatorinnen und Senatoren Fegebank (Wissenschaft), Kerstan (Umwelt) und Gallina (Justiz) erscheint er dynamischer, präsenter aber auch kontroverser. Schließlich hat er mit ganz konkreten Themen wie Busbeschleunigung, Baustellen, Hamburg-Takt und Radwegeausbau zu tun, die den Menschen in dieser Stadt quasi auf Schritt und Tritt begegnen.

Abschiedsgeschenk für Anjes Tjarks: die Bonanzaradbibel

Umso schöner, dass sich Anjes Tjarks neben den Terminen in der großen Politik wie etwa Verkehrsministerkonferenzen auch die Probleme und Erfolge vor Ort ansieht. Natürlich aus dem Sattel seines Fahrrades. Bitte weiter so!


2 Kommentare:

  1. Da Anjen Tjarks jetzt mal selber mit dem Rad nach Wilhelmsburg gefahren ist, wird vielleicht das doch etwas unübersichtliche Verbindungsstück zwischen Elbbrücken und Veddel fertig gebaut.

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    1. Danke für den Kommentar. Der Mann heißt Anjes mit Vornamen. Ich denke, das Elbbrücken -Veddel-Problem hat er auf dem Zettel. Er ist ja gerade da unterwegs gewesen.

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