Wie alle Fahrradgattungen hat der Elektrifizierungstrend schon länger auch das Faltradsegment erreicht. Der Markt ist voll. Und unübersichtlich. Hier gibt es eine Orientierung.
Kompakt: Mit seinem Faltmass passt das Brompton auch gut in einem Heli |
Für wen?
Das wirft die Frage auf: Wer braucht überhaupt ein
elektrisch unterstützendes Faltrad? Meine Antwort: niemand! Falträder sind für
die „Last Mile“ gemacht. Sie sind typische Kurzstreckenräder, ideal für die
Fahrt von der Wohnung zum nächsten Bahnhof, vom Campingplatz zum Bäcker, vom
Büro durch den Park zum Termin. Oder ein guter Begleiter im Autokofferraum: Mit
der Karre bis an den Stadtrand, Deckel auf, Rad auskappen, weiter in die City.
Auf Distanzen bis etwa 10 Kilometer spielen diese Bikes ihre Stärken aus. Da
braucht es eigentlich keinen Motor. Eigentlich.
Megatrend E-Bike
Doch in Zeiten, in denen auch Salzstreuer elektrifiziert
werden und die Fahrradindustrie fast nur noch vom E-Bike zu leben scheint,
bleibt natürlich auch das Faltrad nicht von der Aufrüstung mit E-Motoren
verschont. Und es soll ja auch Zeitgenossen geben, die mit Bromptons, Birdys
und Co. ausgedehnten Expeditionen in entlegene Regionen unternehmen. Riese und
Müller hat sein ebenfalls kultige Birdy bereits vor geraumer zeit mit einer BionX-Hinterradnabe
bestückt. Das Rad ist aber schon wieder vom Markt verschwunden. Schade
eigentlich, denn mit der Rekuparation-Möglichkeit des BionX verfolgte das Birdy
einen spannenden Ansatz.
Also gut, was muss ein Elektro-Faltrad können? Es muss
natürlich kompakt bleiben. Und leicht. Darum kommen konstruktiv vorrangig
Nabenmotoren zum Einsatz. Dazu kleine Akkus. Zusätzliches Gewicht bringt das
trotzdem. Der Großteil des Marktangebotes sprengt schamlos die 20-Kilo-Hürde.
Das ist zu schwer, denn es raubt dem Faltrad seinen Sinn. Was nützt das beste
Faltrad, wenn es angesichts seines Übergewichts nicht gefaltet und getragen
wird? Dann doch lieber gleich ein fixes Kompaktrad anschaffen. Davon gibt es ja
auch jede Menge.
Kompakt also soll es sein. Und eben leicht. Die folgenden
Modelle erfüllen diesen Anspruch so gut es geht.
Kandidat Nummer 1:
Das Brompton Electric
Drei Jahre wurde darüber geredet oder länger. Jetzt ist es
endlich da: das Brompton mit E-Unterstützung. Puristen werden vielleicht die
Nase rümpfen. Denn die große Fangemeinde hat das britische Kultbike unter
Menschen, die umweltfreundliche Mobilität schätzen; die sich darum auch noch
gerne bewegen möchten. Ein Motor, der von einem Lithium-Ionen-Akku gespeist
wird, ist da eher von verdächtiger Natur. Sei’s drum. Brompton kann und will
auf eine E-Variante nicht verzichten. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an
diese Faltrad-Ikone. Ein schweres Los, schwerer jedenfalls als das der
zahlreichen Newcomer in diesem Wachstumssegment.
Design und Konstruktion
Was die Firma von Andrew Ritchey da anbietet, folgt
glücklicherweise den typischen Brompton-Kriterien: Es faltet wie ein normales
Brompton auf ein winziges Format. Wer den Faltmechanismus des Stahlrahmens erst
mal beherrscht, also die richtige Reihenfolge der Handgriffe, darf sich über
ein perfekt durchkonstruiertes Produkt freuen. Faltlogik, Abmessungen und
Robustheit sind konkurrenzlos gut. Der extrem flach bauende Nabenmotor ist in der
Gabel implantiert und durch sehr kurze Speichen mit der 16-Zoll-Felge
verbunden. Die Gabel wurde dafür verstärkt. Eine schwarze Allwettertasche am Steuerrohr
beherbergt den kompakten Akku. Zusätzliche Kabel führen zum Tretlager und
liefern die Trittkraft und –frequenzdaten zur Steuerung des Motors.
Neben dem Ein- und Austaster lassen sich am Akku drei Unterstützungsstufen ansteuern. Außerdem das Licht an- oder ausschalten. Es wird aus dem Akku mit Strom versorgt. Schon der schwächste Modus liefert genug Kraft, um angenehm zügig durch die Gegend zu fahren. In Stufe drei schießt das Brompton mit derart viel Kraft nach vorn, das sensible Naturen erschreckt aufschreien dürften. Totaler Turbo eben. Das Testbike war die Version mit nur zwei Gängen. Darum kommt es bei zügiger Fahrt auf ebener Strecke, besonders bei Rückenwind, früh an seine (Tempo)Grenzen.
Fahreindruck und Umgang
Aber egal ob volle Kraft oder Schleichfahrt, der Motor
spricht beim Anfahren jedes Mal leicht verzögert an. Das macht die Gewöhnung
einfach, weil sich das E-Brompton nicht von der unmotorisierten Variante
unterscheidet. Erst wenn das Rad schon etwas auf Tempo gekommen ist, schaltet
sich sanft und einigermaßen leise der Motor zu. Er gibt seine Leistung in Stufe
1 schubartig, statt kontinuierlich ab. Auch bei gleichmässiger Fahrt und rundem
Tritt heult er immer nur turbinenhaft in Phasen auf und zieht das Rad nach
vorn. Mit dieser Charakteristik erinnert das E-Brompton an ein Hybridauto wie
den Toyota Prius. Bei dem jault allerdings der Verbrennungsmotor unter Last
auf, nicht die E-Maschine. Für Fahrer normaler E-Bikes ist die
Brompton-Leistungsabgabe ungewohnt. Effektiv ist es trotzdem. In Stufe 3 ist
der Motor hörbar mit einem hochfrequenten Summen stets präsent; jetzt gibt es
permanente Unterstützung. Zügig rollt das Brompton vorwärts und selbst stärkere
Steigungen verlieren ihren Schrecken. Ein schönes Gefühl.
Weniger schön: Da der Motor vorn sitzt und der Akku darüber
wird das Brompton kopflastig. In der Praxis bedeutet das eine spürbare
Schmälerung des ohnehin schon harten Abrollkomforts. Gullideckel,
Kopfsteinpflaster und Querfugen schlagen heftig in den Lenker, die Hände und
Arme durch. Ein Schlechtwege-Fahrrad war das Brompton trotz Hinterradfederung
nie. Die E-Variante ist es erst recht nicht.
Darum lieber schön auf dem glatten Asphalt bleiben. Dann
gibt es auch kein Geklapper von der Akkutasche und alles fühlt sich straff und
angenehm an. Mögen die 16-Zoll-Räder unter Komfortgesichtspunkten nachteilig
sein, hat das kleine Vorderrad in der E-Variante durchaus Vorteile. Denn die
Nabenmaschine bringt es viel schneller auf Touren als bei Fahrrädern mit
größeren Laufrädern, Stichwort Massenträgheit. Außerdem wirkt die Antriebskraft
direkt auf die Felge; es gibt keine Reibungsverluste wie bei
Mittelmotorkonzepten. Durch die elektrisch angetriebene Vorderachse wird das
E-Brompton außerdem zum Fahrrad mit Allradantrieb. Das verbessert Stabilität
und Traktion, aber wie erwähnt: Offroad-Wege oder gar Trails sind nicht das
Terrain für ein Brompton.
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