Dienstag, 12. November 2024

Leichtbau: So speckt das Fahrrad ab


Weniger Gewicht gleich mehr Speed und Spaß: Beim Fahrrad geht es oft um (extremen) Leichtbau. Ich habe das lange belächelt. Nun hat es mich selbst erwischt. Bei der Restaurierung eines 26 Zoll Rennrades.

Das Gewichtslimit für Wettbewerbsfahrräder im Straßen-Rennradsport ist von der UCI mit 6,8 Kilo festgeschrieben. Es ginge noch leichter. Carbon, Titan und neuerdings Teile aus dem 3D-Drucker machen es möglich. Das finde ich beachtlich. Profis donnern auf federgewichtigen High-Tech-Maschinen Alpenpässe mit 90 km/h und mehr runter und fühlen sich trotz des extremen Leichtbaus offenbar meist sehr sicher dabei. 

Beim Auto erlangte Gewichtsreduzierung Berühmtheit durch ein Zitat. Ende der 60er witzelten Rennfahrer gerne über die Stabilität ihrer Wettbewerbswagen. "Wenn Dich dein eigenes Hinterrad überholt, weiß ich, dass ich in einem Lotus sitze", dieser Spruch wird wahlweise Jochen Rindt und/oder Graham Hill zugeschrieben.
Alu-Kinderrennrad mit Rigida DP18 Laufräder in ETRO 571

Beim Fahrrad liegt Leichtbau quasi in seiner DNA. Besonders beim Rennrad. Erst in der jüngeren Bike-Historie gehen E- und Lastenräder zwangsläufig in eine andere Richtung. Für mich waren Leichtbauräder immer zu teuer und auch zu spinnert. Ob neun oder 9,5 Kilo bei meinem Rennrad - so what? Ich habe zwar eine elektronische Zugwaage mit der man Fahrräder wiegen kann, benutzt habe ich sie aber selten. Bis jetzt.

Seit Kurzem restauriere ich öfter Kinder-Rennräder aus den 70/80er Jahren. Die wiegen gerne mit Gepäckträger, Felgen und Kurbeln aus Stahl, Lichtanlage sowie Nirosta-Schutzblechen um die 15 Kilo. Also mehr als doppeltes UCI-Limit... Völlig unakzeptable, besonders für Zehnjährige. Also umbauen, modernisieren und abspecken. Das ist einfacher gedacht als getan. Denn Leichtbauteile wie kindergerechte Kurbeln und Rennlenker sind schwer aufzutreiben. Mit viel Geduld und etwas Geld habe ich aber die alten Stahlrahmen komplett mit neuen Laufrädern, Bremsen, Lenker, Sattel und Antrieb aufgewertet und komme dann nahe an die Zehn-Kilo-Schallmauer. Da ich die Bikes meist mit dicken Gravel-Reifen versehe, dürfte es mit schmalen (Rennrad)reifen in ETRO 507 eigentlich möglich sein, unter die Zehn-Kilo-Grenze zu kommen. Aber schmale, faltbare und damit leichte 507er gebt es nicht (mehr). So hat Schwalbe etwa seinen 24-Zoll-Kojak aus dem Programm genommen - schade.

Nun ist mir kürzlich ein 26-Zoll-Kinderrennrad aus Alu in die Hände gekommen. Eine gute Basis für ein "Unter-Zehn-Kilo-Rad", denke ich. Beonders weil es sich um das früher bei Triathlonmaschinen gängige 571er-Laufradmaß handelt (650C). Also etwas größer als die gängige MTB-Größe 599. Die 571er Laufräder liegen näher an den heute beliebten 27,5-Zoll-MTB-Maß, also ETRO 584, was wiederum ein altes Randoneur-Maß aus Frankreich ist (650B). Und da ich in einer dunklen Ecke meiner Werkstatt auch noch ein paar silberne und passende Rigida DP 18 Aerofelgen gefunden habe, war das Projekt schnell aufgegleist. Durch ihr Hochprofil sind die DP 18 zwar nicht extrem leicht, dafür aber hübsch und werden als Kultobjekt verehrt.

Also schnell ein paar Novatec-Naben mit entsprechender Lochzahl und passende Messerspeichen besorgt, alles eingespeicht und gewogen. 790 Gramm wiegt nun ein radial eingepeichtes DP-18-Vorderrad. Das ist überraschenderweise nur wenig leichter als ein 622er-Vorderrad mit der doppelten Speichenzahl für einen ausgewachsenen Vintage-Renner (880 Gramm). Aeroteile sind eben nicht in erster Linie Leichtbaukomponenten, sondern auf Windschlüpfrigkeit optimiert. Das hohe Profil der Alufelge bringt natürlich einiges an Material mit sich. Immerhin sparen die 18 dünnen Messerspeichen gegenüber normalen Rundspeichen nochmal rund 30 Gramm. Wie erwähnt: Wenn einen der Gewichtsfetisch erstmal packt...

740 Gramm wiegt die Alu-Kurbel statt....


... 1240 Gramm die originale Stahl-Kurbelgarnitur

Mit den beiden Aerofelgen und dem Zweifach-Kurbelsatz aus Alu anstelle des sauschweren Stahlkurbelsatz mit drei Kettenblättern sollte das Gesamtgewicht am Ende doch unter zehn Kilo zu drücken sein.



Fehlt noch die Zauberformel "marginal gains". Und die will ich bei den Reifen und den Schläuchen erzielen. Für das 26er Triathlonmaß 571 x 23/25 gibt es glücklicherweise noch einiges an Reifenoptionen. Von Vittoria zum Beispiel. Oder von Panaracer und Kenda. Meine Wahl fällt auf Schwalbe One Faltreifen in 571 x 23, der mit nachgewogenen 221 Gramm zu den leichtesten auf dem Markt zählt. 

Der Race 26 wiegt 96 Gramm


Der Race 26 light wieger 45 Gramm
Passend zu den leichten Decken brauche ich noch möglichst leichte Schläuche und dabei tut sich fast ein Luxusproblem auf: leicht, leichter oder superleicht? Denn in der Dimension 650C bietet Conti gleich drei Schlauchversionen an. Der Conti Race 26 wiegt laut Hersteller 96 Gramm. Das ist schon mal ein erfreulich niedriges Gewicht. Gleiches Schlauchmaß gibt es von Conti auch als Race light, der nur 65 Gramm auf die Waage bringt. König der 26-Zoll-Leichtbauspezialisten ist der Continental Race Schlauch 26 Supersonic. Was für ein starker Name: Supersonic. Überschall! Das klingt nach Weltraum, nach Hightech, nach uneinholbar. Er wiegt laut Hersteller nur 45 Gramm, ist darum auch extrem dünn und entsprechend empfindlich. Ich fädle zwei der Supersonics vorsichtigt unter die Schwalbe Decken. 
Der 26 Supersonic dürfte mit unter 50 Gramm einer der leichtesten Butylschläuche überhaupt sein.
Latex-und PU-Schläuche gibt es in dieser exotischen Größe nicht



Im Laufe des Projekts wird die Waage mein bester Freund. Ich wiege die ersetzten Teile und freue mich, dass ich beispielsweise durch Alu- statt der Stahlkurbeln -und kettenblätter das Gewicht des Antriebs fast halbieren kann. Die bewegten Massen zu erleichtern ist ja besonders sinnvoll, da sie großen Einfluss auf Fahrgefühl und -dynamik haben.

Für den Schwalbe One zeigt meine Waage 221 Gramm

Nachgewogen bringt der 
Conti 26 Supersonic 49 Gramm 
auf die Waage






    Was am Ende bei dem gesamten Diätwahnsinn rauskommt, weiß ich noch nicht. Ich feile noch am Innenlager und dem Schaltwerk. Die Auswahl an Vierkant-BSA-Lagern und Schaltwerken ist nicht so üppig. So bald das Endgewicht feststeht, werde ich hier berichten.

1 Kommentar:

  1. Schön leicht. Und für Kinder?
    Da kommt es doch auch auf z.B. Panneschutz und mehr oder weniger Unverwüstlichkeit an, oder?

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