Mittwoch, 12. April 2017

Fietsenbörse: Fahrrad-Schnäppchen oder überteuerte Hippster-Bikes?

Starrender mit Eintage-Charme gab es jede Menge auf der Fietsbörsen
Das war ja nur eine Frage der Zeit: Endlich hat auch Hamburg einen professionell organisierten Marktplatz für Gebrauchträder. In Köln, Aachen und anderen NRW-Städten haben sich ähnliche Handelskonzepte schon seit Jahren etabliert. Nun mischt das Start-Up Fietsenbörse aus Münster die Szene auf. Ich habe mich mal probeweise als Verkäufer versucht.

Auch Kinderräder waren zahlreich im Angebot
8.30 Uhr am Sonntagmorgen. Ein wunderschöner Frühlingstag auf St. Pauli. Die Sonne lacht vom Himmel. Und der Spielbudenplatz steht rappelvoll mit Fahrrädern: Mountainbikes, Rennräder, Vintage-Velos, Kinderräder... alles da. Dazwischen jede Menge Menschen: Nerds mit Kennerblick, Studenten mit schmalem Geldbeutel, Familien..., auch alles da. Oder anders ausgedrückt: ein perfekter Marktplatz. Angebot und Nachfrage in Reinkultur. Hamburg kann so etwas gut gebrauchen. Deutschlands zweitgrößte Stadt ist schließlich selbsternannte Fahrradstadt - mit großem Bedarf an günstigen Gebrauchträdern und einem ebenfalls beachtlichen Angebot.

Bislang waren die seltenen Fahrradflohmärkte des ADFC, im Haus 3 Altona, auf dem Velodrom Stellingen und bei Fahrrad-Marcks in Bergedorf die einzigen Märkte, auf denen sich ein Fahrrad-Schnäppchen machen liess. Die meisten Bikes aus zweiter Hand werden sicherlich bei E-Bay-Kleinanzeigen gehandelt. Aber ein realer Gebrauchtmarkt ist das ebenso wenig wie die digitalen Marktplätze von Bikesale und Deal-my-wheel.

Ob der Spielbudenplatz eine ideale Fahrrad-Flohmarktlocation ist,
möchte ich stark bezweifeln
Wie ist der Markt organisiert? Wie sind die Erfolgsaussichten als Verkäufer? Schnell habe ich in meiner Fahrradsammlung zwei Kinderräder (von Kettler sowie ein 70er Jahre Oldie von Puky) und ein 24er-Klapprad von Patria gefunden die weg müssen. Am Eingang zu Fiestenbörse liegen DIN A4-Zettel aus, die auszufüllen sind: Name, Adresse, Preis, Peso-Nummer, Unterschrift. Ruckzuck fülle ich das Blatt aus, das bei erfolgreichem Verkauf als Vertrag gilt

Entgegen genommen wird er von einem Typen, der die Ruhe trotz der Markthektik weg hat. Ich glaube es ist der Chef und Erfinder des Marktes persönlich. Mit viel Routine befestigt er ein Preisschild am Lenker. Der Vertrag wandert von einer Plastikhülle geschützt jeweils ans Unterrohr. Jetzt muss ich die Räder selbst auf der Marktfläche platzieren. Gar nicht so einfach. Professionelle Händler haben große Teile des Spielbudenplatzes schon sehr früh am Morgen in Beschlag genommen. Freie Flächen gibt es kaum noch.

Der Eingang: Hier müssen alle rein und raus
40 Euro will ich fürs Kettler-Kinderrad haben. Fürs Vintage-Puky sind 70 Euro announciert, Am Patria hängt der gleiche Preis; davon gehen bei Verkauf jeweils 17 Euro an die Fietsenbörsen-Betreiber. Das ist eine stolze Provision, aber der Laden macht ja auch einiges an Werbung und stellt eine Infrastruktur. Leider fehlen aber Fahrradständer und die windige Umfriedung des Spielbudenplatzes mit einem grünen Pseudozaun wirkt eher hemdsärmlig.


Egal, meckern ist immer leicht. Insgesamt machen Orga und Abwicklung einen guten Eindruck. Der besonders Reiz des Marktes ist, dass man als Anbieter seine Räder anpreisen und erklären kann. Es aber nicht muss. Ich wähle die bequeme Variante, stelle meine Räder ab, mache einen kurzen Rundgang um mir einen Überblick zu verschaffen und fahre anschließend mit meiner Familie auf den Spielplatz. Erst um 15 Uhr bin ich zurück auf dem Markt. Große Spannung: Wird eines meiner Bikes verkauft sein? Vielleicht sogar alle drei? Oder keines?

Ein holländisches Sparta mit Stahlpress-Rahmen. Für 295 Euro
in meinen Augen aber leider überteuert
Immer noch herrscht viel Betrieb auf der Fietsenbörsen. Der Platz wirkt aber deutlich leerer. 70 Prozent, so heißt es seitens des Veranstalters, werden in der Regel verkauft. Das ist viel. In den anliegenden Straßen und vor der Davidswache flitzen Kaufinteressenten auf angebotenen Rädern auf und ab

Von meinen drei Rädern finde ich nur eines wieder: das Kettler. Das Patria und auch das Vintage-Puky sind verkauft, für jeweils 70 Euro. Das macht abzüglich Provisionen 106 Euro - eine gute Einnahme, aber auch ein Grund zur Freude für die beiden Erwerber. Denn beide Räder waren gut in Schuss und sofort fahrbar.
Tausende strömten zur Fietsenbörse

Vielleicht hätte ich bei E-Bay mehr erzielt. Aber so ein realer Markt macht irgendwie mehr Spaß. Die Fietsenbörse schließt in Hamburg offenbar wirklich eine Marktlücke. Störend fand ich nur die relativ große Anzahl an Händlern, die mit ihren Riesenangebot den Markt quasi überfluten. Privatanbieter mit nur einem Bike waren scheinbar die große Ausnahme. Bemerkenswert ist das große Angebot an Stahlrennrädern, von denen aber viele stehen blieben. Lag's an zu hohen Preisen? Normalerweise ist diese Vintage-Ware stark gefragt. Wenig vertreten waren höherwertige Rennräder und MTB. Oldtimer und Kuriositäten waren sehr rar. Das Gros waren simple Gebrauchsräder unterschiedlichster Couleur. Und die treffen zu recht ja auch das Gros des fahrradsuchenden Publikums.

Ach, bleibt ja noch eine Frage unbeantwortet: Fahrradschnäppchen oder überteuerte Hippster-Bikes? Ganz klar: beides.

Ich werde die nächste Fietsenbörse am 21. Mai gerne wieder besuchen. Dann vielleicht als Testkäufer und investigativer Beobachter.









1 Kommentar:

  1. Hi. Guter Tipp. Hervorhebenswert finde ich, dass man eigentlich wenig Aufwand beim Fahrradverkauf hat. Man muß noch nicht mal vor Ort bleiben, kleine Verkaufsgespräche machen? Das ist doch besser als online, wo immer die nervigen Nachmails wegzuklicken sind, komische Typen zur Abholung auftauchen und nachverhandeln. .... da muß ich mal meinen letzten Fahrradfehlkauf anbieten und ein passendes kaufen. Eine Frage noch: wie wird sichergestellt, dass man kein gestohlenes Fahrrad kauft. In Hamburg kann das doch passieren, befürchte ich.

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