Dienstag, 22. April 2014

Fahrradselbsthilfe für Frauen II: Männer bleiben immer noch draußen


Zweiter Besuch in der Fahrradselbsthilfe nur für Frauen. In die Werkstatt durfte ich immer noch nicht. Ansonsten waren die Damen sehr auskunftsfreudig und nett. Und fachkundig.
"Ist das ein 622er oder ein 630er?" Gebeugt über eine Felge mit halb abgeschältem Reifen rätseln Anna und Petra über die richtige Dimension. 622er oder 630er, das ist hier die Frage. Wer so redet, versteht etwas von der Materie.

Diese Frauen tun es und schrauben in einem Kellerraum im Karoviertel engagiert an Fahrrädern aller Art. Fachbegriffe sind ihnen nicht fremd. Im Gegenteil: Besonders mit älteren Fahrräder kennen sich die Betreiberinnen der Frauenselbsthilfe besser aus als so mancher Fachhändler. "Mir hat ein Mechaniker schon mal en Tretleger falsch eingebaut", sagt Franziska, die sich auf ein 24er Klapprad aus den 70ern gestützt hat. Klar, da macht sie das lieber gleich selbst. Die Wand über dem Eingang ist mit Graffiti besprüht - typisch für die Gegend. Die Glühlampen aus dem Keller werfen ein einladendes Licht nach draußen. Über die Türschwelle dürfen aber nur Frauen. Männer bleiben draußen. Ein eisernes Prinzip. Aber man kann sich ja auch zwischen Tür und Angel unterhalten und beobachten.

"Frauen, bringt Briketts mit", steht auf einer Tafel neben dem Ofen. Daneben sind Zeichnungen von Torpedo-Naben, technische Dokumente und eine Artikel aus dem Elbewochenblatt an die Wand geklebt. In Regalen stapeln sich Ersatzteile von ausgeschlachteten Fahrrädern. Auf der Werkbank liegen Schraubendreher, Maulschlüssel und eine 4,5 Volt-Batterie zum überprüfen von Lichtanlagen. Der Keller ist gut bestückt.
Dass hier nur Frauen Zutritt haben, hat Tradition. "Die Schraubstelle", so der offizielle Name, gibt es bereits seit 25 Jahren. In den 80ern wurden in Hamburg viele Frauenprojekte gegründet, darunter eben auch die Frauen-Fahrradselbsthilfe. Während Autowerkstätten und andere Projekte schon längs wieder geschlossen wurden, hat die Schraubstelle überlebt. Das liegt sicherlich auch am rührigen Engagement der Macherinnen.

Nutzerinnen sind Frauen, denen ein Fahrradhändler zu treuer ist. Und mehr noch Frauen, die sich in einer normalen Selbsthilfewerkstatt nicht wohl fühlen. "Da passiert es immer wieder, das Männer das Kommando übernehmen, den Frauen die Reparatur abnehmen, obwohl die das nicht wollen, sondern lieber lernen möchten, wie sie ihr Fahrrad selbst repariert kriegen", erklärt Franziska. Logisch, das leuchtet ein. Vor diesem Hintergrund wird es auch verständlich, dass Männer hier keinen Zutritt haben.

Meine anfängliche Skepsis ist gewichen. Diese Selbsthilfe ist eine echte Bereicherung für die Fahrradstadt Hamburg und eine bunte Facette in der Schrauberszene.

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