Dingdong! Post ist da. Ein Bote überreicht mir einen Karton. Absender: Dr. Wack aus Ingolstadt. Inhalt: neuartige Pflegeprodukte fürs Fahrrad. Meine Reaktion: Super, gleich mal ausprobieren.Doch bevor es los geht, freue ich mich über die Verpackung. Aus dem geöffneten Karton quellt keine künstliche Blasenfolie oder ein Tsunami an Styrochips, sondern Stroh. Ja, jede Menge gelbgoldenes Stroh schneit mir aus der Verpackung entgegen. Gut so. Da haben sich die Wack-Marketingleute die richtigen Gedanken gemacht. Nicht nur die Produkte sollten möglichst ökologisch sein, sondern auch die Verpackung und am besten auch noch der Transportweg.
Da fällt mir ein: Gibt es eigentlich einen CO2-Vergleich von DHL, UPS, Hermes, GLS und so weiter? Könnte ich zu einem Wettbewerbsvorteil für Warenversender entwickeln.
Das Wack-Paket verwandelt meinen Eingangsbereich im Nu zu einem Bauernhof. Überall Stroh. Öko bedeutet in diesem Fall eben nicht automatisch sauber. Besen und Schaufel beseitigen das Naturprodukt aber ruckizucki. Stroh im Flur ist eine Naturkatastrophe gegen die man nichts haben kann.
Nun liegen zwei Flaschen aus der Produktserie F100 vor mir: eine groß mit Sprühkopf, die andere klein mit feiner Dosierspitze. Erstere enthält Fahrrad-Reiniger, die zweite Bio-Kettenöl. Die Aufschrift ist grün. Was sonst? In der 750-Milliliter-Buddel schwappt blassgelbe Flüssigkeit, laut Etikett besteht sie zu 97 Prozent aus "natürlichen und nachwachsenden Rohstoffen". Welche das sind, verrät die Flasche leider nicht. Ich habe keine Ahnung, aus welchen Naturstoffen sich ein Reiniger herstellen lässt. Wäre schon spannend zu wissen.
Gleiches gilt für das Tropföl. Hier kann ich mir vorstellen, dass Sonnenblumen oder andere Pflanzen zur Ölgewinnung eine Rolle spielen. Hallo Ihr in Ingolstadt, warum nicht offensiver mit den Inhaltsstoffen umgehen? Oder bleibt das Betriebsgeheimnis? Wie wäre es etwa mit "Tropf die Sonne auf die Kette" statt "Pack den Tiger in den Tank"? Ein guter Slogan kann Wunder wirken. Ich hätte da noch weitere Ideen. Doch die kosten Honorar...
Im Ernst: Ökologische Pflegeprodukte machen viel Sinn, besonders für Fahrradfahrer. Denn viele von ihnen wollen nicht nur nachhaltig mobil sein, sondern achten auch bei ihrem Konsumverhalten auf einen grünen Lebensstil. Da dürfen Ökoprodukte dann auch gerne etwas teurer sein. Mit einem UVP von 14,61 Euro für 100 Milliliter ist das Bio-Öl nicht billig, kostet aber nur einen Euro mehr als das F100-Öl in Normalversion. Dass Dr. Wack mit seiner Öko-Linie Gewinnabsichten verfolgt, ist legitim. Und hoffentlich springen weitere Hersteller auf den Umweltzug.
Was jetzt noch fehlt? Klar, möglichst überzeugende Produkteigenschaften. "Trotz aller Vorteile für die Natur bieten die die F100-Bio-Produkte die gewohnt höchste Dr.-Wack-Qualität", versichert das Chemieunternehmen. Wirklich? Klarheit bringen kann da nur ein Vergleichstest. Denn dann kommt bei identischen Schmierfähigkeiten der Bonus für die Umweltverträglichkeit ins Spiel. Und wenn es ganz dolle kommt, sind die Naturprodukte sogar hier und da den konventionellen Artikeln überlegen.
Dass es sich lohnt, auf umweltfreundliche Produkte zu setzen, beweist gerade Continental. Der Reifenhersteller hat nämlich den Nachhaltigkeitspreis 2021 in der Kategorie „Verantwortungsvolles Design“ gewonnen. Ausgezeichnet wurde der Fahrradreifen Urban Taraxagum, der unter anderem aus Löwenzahnkautschuk hergestellt wird und die Jury überzeugte.
Bisher kann ich nur über einen ersten Praxiseindruck des F100-Fahrradreinigers berichten. Ich habe mit ihm das mittelstark eingesaute MTB meines Sohnes behandelt: aufsprühen, 5 bis 10 Minuten einwirken lassen und abspülen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Dreck ist fast vollständig weg, der Rahmen glänzt wieder und das Putzergebnis steht dem von normalen "Gift"-Reinigern in nichts nach.
Die Öko-Offensive von Dr. Wack hat also gute Chancen, nicht nur ein Strohfeuer zu werden. Mehr noch: Wenn ich, sagen wir mal, Tourismusdirektor etwa im Allgäu wäre, würde ich allen Bike-Vermietern vorschreiben, nur noch Öko-Öl für MTB-Ketten und grünen Reiniger für die After-Ride-Dusche zu verwenden. Schließlich achtet man in Fremdenverkehrsregionen an allen Ecken und Enden um möglichst umweltgerechtes Verhalten. Der Wack-Außendienst dürfte leichtes Spiel haben.
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