Sonntag, 16. August 2015

Neues Kleid für alten Renner


Ziemlich traurig mit mässig überlackiertem Rahmen steht ein altes Peugeot-Rennrad in meiner Sammlung. Die Technik ist okay, beide cremefarbenen Reifen sogar neu. Aber der Rahmen wirkt matt, hat Abschürfungen und sieht runtergerockert aus. Ein typisches Schicksal der meisten Großstadt-Rennräder: Schlösser und Laternenmasten hinterlassen tiefe Kratzer und Lackschäden im Metall. Was tun? Antwort: den Rahmen mit einer Folie bekleben. Bei Autos ist das schon lange üblich, besonders im Taxigewerbe und der Tuningbranche. Wird ein neuer Look gewünscht, einfach Folie abziehen und die Kiste glänzt wieder in der Originalfarbe. Warum nicht auch bei Fahrrädern? Doch das klingt einfacher als es in der Praxis ist, wie ich durch einen Selbstversuch herausgefunden haben.
So viel vorweg: Wer sein Fahrrad folieren will, braucht viel Geschick, noch mehr Geduld und etwas Geld. So ein Projekt kann sich lohnen und macht aus einem Fahrrad im Straßenköter-Optik wieder einen begehrenswerten Schwan - und das in der Wunschfarbe oder im abgefahren Muster-Look. Fixyourbike aus Italien hat sich auf hübsche Fahrradfolierungen spezialisiert. Doch da ich Lokalpatriot bin, habe ich mich für Mooxibike entschieden. Denn dieses junge Unternehmen stammt aus Hamburg und wurde von der Grafikerin Bettina Wiedner gegründet. Schöner Nebeneffekt: ihre Folien sind billiger als die der Konkurrenz.
 Ich habe Bettina angeschrieben und sie war so nett, mir meine Wunschfolie "matt mint" persönlich am Rödingsmarkt zu übergeben. Was für ein Service! Selbstverständlich war auch Bettinas Rad mit dem eigenen Produkt foliert.



"Als Grafikerin", sagt Bettina, "mag ich die gemusterten Folien natürlich viel lieber. Doch nachgefragt werden eben auch Unitöne." Deshalb habe sie auch dieses ins Lieferprogramm aufgenommen. Die Verpackung sieht schon mal Klasse aus, denke ich und verabschiede mich von Bettina. Bin gespannt, wie sich "matt mint" mit meine Peugeot verträgt.
Das Mooxibike-Kit beinhaltet alles, was man zum folieren benötigt: ausreichend Folie für ein Rad, Massband und Rakel. Letzerer ist ein Filzstück, mit dem die Folie auf den Rahmen gerieben wird. Nur ein Skalpell oder Cutter muss ich mir aus dem Baumarkt besorgen. Mein Ehrgeiz ist es, alle Rahmenrohre komplett zu bekleben. Also nahtlos, wie bei einer Lackierung oder Pulverbeschichtung eben. Ein Fehler, wie ich später feststellen soll. Denn Muffen und die Hinterbaustreben stellen den Folierer vor große Herausforderungen.Diese Rohre sind nicht gleichmässig stark, sondern verjüngen sich. Heißt: Die Folie muss schräg zugeschnitten werden.

Obwohl Ober-, Unter- und Sattelrohr gleich dick sind, wird auch hier der Zuschnitt schwierig. Soll die Folie das gesamte Rohr abdecken, muss man quasi auf den Zehntelmillimeter genau arbeiten - fast unmöglich. Ich probiere es trotzdem, messe mir fast einen Wolf und setzte schließlich wie ein Chirug das Messer an.

Als Schnitthelfe verwende ich eine Wasserwaage. Da das Messer extrem scharf ist, kriege ich tatsächlich einen sauberen Schnitt hin. Ein Erfolgserlebnis, prima. So darf es weiter gehen.  Geht es aber nicht. Die Folie bei meiner Ganzrahmenlösung sauber aufzubringen erweist sich als extrem schwierig. Zum Aufkleben soll laut Gebrauchsanleitung ein Fön oder eine Heißluftpistole verwendet werden. Sie macht die Folie in der Tat geschmeidig, verhindert Blasenbildung und hilft, ein glattes Ergebnis zu erzielen.

Aber das Erhitzen längt die Folie auch sichtbar, so das meine akribischen Abmessungen nicht mehr stimmen. Außerdem entsehen beim Umlegen um die Rohre doch hier und da kleine Falten, die ich nicht herausgerieben bekomme. Merke: eine komplette Folierung der Rohre ist was für Experten und echte Könner. Laien sollten sich auf die Folierung des halben Rohres beschränken. Oder abgeflachte Rohre nur auf einer Seite folieren.
Schwierig ist vor allem auch die Gabel. Hier verjüngt sich der Rohrdurchmesser nach unter und außerdem ist die Gabel gebogen. Eine doppelte Schwierigkeit. Obwohl ich mir Mühe gebe, bekomme ich die Folie nicht sauber um die Gabelscheiden gelegt und produzieren beim Fönen und reiben ein paar unansehnliche Falten.

Mein Ehrgeiz lässt nach. Ich will nur noch fertig werden und schwöre mir, nur Teil- statt Ganzfolierungen in Angriff zu nehmen, für den Fall das ich das nochmals wiederhole.
Hilfreich ist übrigens, Anbauteile weitgehend zu entfernen. Die Laufräder sollten in jeden Fall raus; sonst werden auch Teilfolierungen schwierig.

Nun fehlt noch ein passendes Lenkerband. Leider habe ich keines und wickle eines im Blauton um den Rennlenker - die Gesamtfarbgebung ist damit eher schräg. Aus zwei Meter Entfernung sieht das Rad aber ganz ansehnlich aus - Auftrag erfüllt.

Mein Fazit:
Fahrradfolierungen können ein eleganter Weg sein, zerschrammte Rahmen und alte Möhren aufzuhübschen. Doch akribisches Arbeiten und ein paar Hilfsmittel sind nötig, um ein perfektes Ergebnis zu erzielen. Und: Ganzfolierungen sind besonders schwer und nur war für Profis. Die Mooxibike-Folie ist von hoher Qualität und zeigt gute Verarbeitungseigenschaften. Wer ein altes Rad hat, findet hier eine schöne Form der Aufwertung.

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