Montag, 8. Juni 2020

Mit dem Fahrrad ins Autokino: Teil 2

Fast 1000 Leser in zwei Tagen! Wow, das ist für meine Bolg-Verhältnisse viel. Zuspruch war dabei. Aber auch Kritik. Vor allem von den Autokino-Veranstaltern. Gleich zwei Briefe haben mich dazu erreicht: einer eher scharf formuliert, der andere sachlich. Beide gibt es hier in voller Länge zu lesen.

Das erreichte mich vom Veranstalter "Morgenwelt":


Hallo St-Pedali,

Ihr Besuch bei uns ist nicht nur auf der Fläche wahrgenommen worden, sondern wir lesen mit Erstaunen auch hier Ihre Interpretation des Geschehenen. Ich schreibe Ihnen nun zum zweiten Mal auf diesem Kanal in der Hoffnung, dass eine Veröffentlichung genau an dieser Stelle dann auch stattfindet. Denn Kritik muss man aushalten (wir zum Beispiel) Sie dann aber auch!

Wir haben rund zwei Monate damit verbracht, in der Politik die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass wir das Cruise-Inn Projekt durchführen dürfen. Erst in der letzten Änderung der Allgemeinverfügung ist das Wort "Autokonzerte" eingefügt worden, dass uns die Durchführung erlaubt. Zuvor war nur von "Autokino" die Rede gewesen. Das zeigt, wie eng die Auslegung der Behörden in Hamburg ist, was man darf und was man nicht darf. Klar ist bei all dem: Fahrräder dürfen NICHT ins Autokino. Das ist nicht unsere Entscheidung, sondern Aufgabe der Politik, dies zu ändern. Ihre Kritik sollten Sie also unter diesem Gesichtspunkt nicht an uns richten. Wir öffnen gerne auch für Fahrradfahrer oder Fußgänger sobald dies möglich ist.

Klar ist: Es widerstrebt uns, Leute wegzuschicken. Das müssen wir aber, wenn wir Gefahr laufen, die uns gemachten Vorgaben (Besuch für Gäste ausschließlich im Auto, Verlassen des Autos nur für die Gang zur Toilette und mit Maske auf) nicht auf der Fläche auch durchzusetzen. Mit Ihrem Verhalten gefährden Sie also den Fortbestand des Projektes. Die Polizei kontrolliert engmaschig die Einhaltung der Corona-Regeln. Mit Ihrer Veröffentlichung des Beitrages hier, animieren Sie sogar dazu, es Ihnen gleich zu tun und mal gucken zu kommen. Als Reaktion Ihres Beitrags haben wir bereits eine E-mail erhalten, in der ein potenzieller Kunde kommentiert: "Etwas mehr Fingerspitzengefühl und ich komme im VW Bulli mit 7 Vollzahlern. Aber so...". Mit anderen Worten: Ihr Beitrag hat einen Effekt. Und der ist negativ.

Zweitens ist Ihre Erwartungshaltung, dass Sie den Film bei uns auch ohne Eintritt zu zahlen schauen können, völlig inakzeptabel. Würden Sie das auch im Abaton probieren? Woraus leiten Sie den Anspruch ab, sich unbehelligt eine Leistung zu erschleichen und den Film schauen zu können? Wir haben sie Fläche gemietet und sind damit berechtigt, diese zu nutzen. Nur weil Sie ausserhalb unsere Spielzeiten die Fläche frei betreten können, berechtigt dies natürlich nicht dazu, all unsere Leistungen frei zu nutzen. Wie kommen Sie darauf? Was machen Sie beruflich? Welche Geschenke darf ich von Ihnen erwarten? Die am Cruise-Inn beteiligten Firmen haben alle gemein, dass ihnen die Corona-Krise größte Probleme bereitet. Wir sind als Veranstaltungsbranche die erste gewesen, der ein Berufsverbot auferlegt wurde. Wir werden die letzten sein, die wieder zum Daily Business zurückkehren können. In meinem Fall dauert die Corona-Krise in jedem Fall mit Mai 2021, egal wann Lockerungen eintreten. Warum? Weil wir mit unserem Saisongeschäft erst im kommenden Sommer wieder nennenswerte Umsätze werden machen können. Mit dem Cruise-Inn versuchen wir also, das Beste draus zu machen und uns selbst ein Stück weit zu helfen. Damit wir wirtschaftlich durch diese Krise kommen. Ihr Verhalten diesem Bestreben gegenüber ist ignorant. 

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung als Familienvater: Es tut mir leid für Ihren Sohn, der völlig unvorbereitet in eine solche Situation geraten ist. Aus oben genannten Gründen, liegt die Verantwortung dafür jedoch ganz allein bei Ihnen. Sie sollten ihn dringend ins Kino einladen (zahlen Sie dann am besten die Tickets und halten Sie sich an die Regeln des Hauses).

Ihre Einschätzung am Ende Ihres Beitrages „Leider hatte das Betreiber-Personal heute ein (zu) kleines Hirn.“ kann ich nicht bestätigen. Würden Sie das auch einem S-Bahn-Kontrolleur vorwerfen, der Sie beim Schwarzfahren erwischt?  Hierzu möge sich jeder Leser eine eigene Meinung bilden. Ich erspare mir hier weitere Kommentare; das wäre unsachlich.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei weiteren Fahrradtouren im Hafen. Bleiben Sie gesund werden Sie fair!

Anmerkung: Ich mag sie eigentlich, die Firma "Morgenwelt". Die machen coole Sachen wie Fahrraddisko (Strom für Musik und Filme wird mit stationären Fahrräder erzeugt) und grüne Musikfestivals (etwa Futur 2 auf Entenwerder). Der Laden scheint fahrradaffin zu sein. Und mit einem Autokino wieder Tritt zu fassen in einer Branche, die arg gebeutelt ist, finde ich legitim. Ich würde mich freuen, wenn aus dem Autokino ein Auto- und Fahrradkino würde. Ich behaupte: Das ist nicht unmöglich. Und Erfahrung hat man ja inzwischen mit den strengen Behörden. Kurioserweise entpricht der Corona-Mindestabstand ja 1,5 Meter. Exakt jene Distanz also, die Autofahrer beim Überholen von Radfahrern einhalten müssen. Aus dieser Koinsidenz lässt sich doch was machen. Oder? Ein Fahrradkino etwa. Mit Poolnudeln als Abstandshalter. 200 Radfahrer hätten auf dem Terminalgelände locker Platz - auch mit Abstand. Hier die simple Formel: 200x1,5m Abstandx2=600m. In Zweier-Reihe braucht es also 300 Meter Platz, in Vierrer-Reihe 150 Meter. Warum, bitteschön, sollten die Behörden etwas gegen ein schlüssiges "Hygienkonzept Fahrradkino" haben. Ich darf daran erinnern: Die Stadt hat neuerdings einen grünen Verkehrssenator und gibt viele Millionen für eine Fahrradkampgane aus.

Und noch eine Bitte: Ökonomisch geht es der Branche wohl wirklich übel. Wer Autos nicht kategorisch ablehnt, besucht das Kino ja vielleicht mal ganz legal, zahlt brav Eintritt und macht sich buchstäblich ein Bild. Günstige Leihautos gibt's bei Carsharern. Ich kann's nur wiederholen: Die Location ist spektakulär. Programm und Tickets gibt es hier.

Übrigens: Dem zweiten Autokino in Hamburg auf dem Heiligengeitsfeld weht aus der alternativen Ecke Wind entgegen. So kritisiert die Organisation "Recht auf Stadt" den Betreiber Zeise, der mitten in der Stadt Autoverkehr erzeugt. Ist was dran. Aber es gibt sicherlich Wichtigeres. Bemerkenswert: Am 21. Juni., also in der kürzesten Nacht des Jahres, läuft im Autokino Heiligengeistfeld ein der Fahrradfilm  "Besser Welt als nie". 

Und hier noch die zweite Fanpost vom Ticketverkäufer "Tickettoster":

Hallo Jörg,
danke für deine Nachricht. Wir verstehen den Unmut der hier entstanden ist und entschuldigen uns für den eventuell forschen Ton unseren Sicherheitspersonals.

Allerdings müssen wir auch hier noch mal bestätigen, dass kein Raum für Kulanz bei dieser Veranstaltung vorhanden ist, da die Genehmigung des Autokinos an ein festes Hygienekonzept geknüpft ist, welches keine Fahrräder auf dem Geläde vorsieht. Diese Regeln machen leider nicht wir sondern die Stadt und sie müssen von uns umgesetzt werden.

Sollte es möglich sein, das Kino in Zukunft auch mit dem Fahrrad zu besuchen, werden wir dies natürlich kommunizieren.

Viele Grüße



Der letzte Satz lässt hoffen. Viel ist inzwischen wieder möglich. Warum nicht auch ein Fahrradkino mit überzeugendem Hygienekonzept? Etwa: Auto - Fahrrad - Auto - Fahrrad - usw... Oder ist das doof?

Virologenpapst Drosten predigt doch immer, dass an der frischen Luft fast alles geht...

2 Kommentare:

  1. Moin,

    die obere Antwort ist sehr umfangreich, und direkt, aber nicht unpassend. Wie bei meinem anderen Kommentar hätte ich hier evtl. eine andere Herangehensweise gewählt.

    Das Verhalten des Sicherheitspersonal finde ich aber trotzdessen unpassend. Gerade im Beisein von Kindern sollte jeder Sicherheitsmitarbeiter eine gewisse Diplomatie an den Tag legen.

    Grüße
    JEns van Dieken

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  2. Welcher ist jetzt der "eher scharf formuliert[e]" Brief?
    BTW: Wie man in den Wald hineinruft ...

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