Influencer blasen ihre Fahrradtouren gerne zu epischen Events auf. Tour Divide, Silk Road, Atlas Mountain Race, nee, Mangel an ultralangen, ultraschweren, ultraunglaublichen Selbstversorger-Rekordrennen gibt es wahrlich nicht. Aber es geht auch anders: Ich habe eine anti-epische Ausfahrt mit dem Klapprad gemacht. 30 Kilometer, kaum Wind, keine Steigungen, nur ein bisschen Gravel, aber dafür auf dem Kalkhoff-Klapprad aus den 70er Jahren bei 30 Grad.
Mieträder sind in Dithmarschen eigentlich nicht teuer. Nur acht Euro kostet ein typischer Tiefeinsteiger mit Siebengang-Nabenschaltung etwa in Büsum. Zumindest beim Fahrradverleih scheint die Inflation noch nicht angekommen zu sein. Ich könnte mir also einfach ein billiges Rent-a-bike schnappen, um das Land hintern Nordseedeich zu erkunden. Das kann jeder. Eben!
"Dreißig?" frage ich ich Ulrich. Ulrich nickt. Es ist immer schön, wenn so ein Handel auf beiden Seiten schnell für Zufriedenheit sorgt. Dann steht mein neuer alter Kalki-Kumpel und ich allein vorm bildschönen Burger Bahnhof. "Auf geht's mein Freund", murmel ich eher zu mir als zu dem kleinen Rad. Klar, Fahrräder haben doch auch irgendwie eine Seele. Und schon rollen wir durchs malerische Burg. Erster Fahreindruck: viel zu wenig Luft auf den Pirelli-Pneus. Zum Glück taucht schon nach einem Kilometer eine Nordoel-Tanke auf. Die hat so einen transportablen Luftprüfer. Der ist für Autoventile. Das wusste offenbar auch Ulrich und hat das Dunlop-Ventil des Vorderreifens mit einem AV-DV-Adapter bestückt. Problemlos bläst der Luftspender drei Bar Druck in die Originalreifen. Kalki stand offenbar im Dunkeln, denn trotz des Uraltgummis sind die Weißwand-Flanken nicht porös.
In Vaalermoor biege ich nach links von der Hauptstraße in einen Betonplattenweg ab. Schilder und Wegweiser gibt's hier nicht. Menschen auch nicht. Es ist einsam. Nur die Hochbrücke Hochdonn, die hin und wieder über den Baumwipfeln zu sehen ist, erinnert daran, dass die Zivilisation ganz nah ist. Und ein paar Kilometer dahinter tost die BAB 23 und bringt eilige Urlauber nach Büsum und Sylt. Die Plattenpiste ist holprig, oft von Pflanzen durchsetzt und vom Frost zersprengt. Aber Kalki klappert fröhlich quitschend voran. Auf einem Feld hebt ein alter Traktor große Strohräder auf einen Anhänger.
Dann geht es zweimal links, einmal rechts rum und ich bin wieder am NOK. Auf dem schiebt sich gerade die Alstern Richtung Kiel. Ich trete etwas fester und fahre eine zeitlang parallel mit dem 90 Meter langen Schiff den Kanalweg entlang: Kümo gegen Klappi, das gibt's auch nur hier. Zügig ist so Hochdonn erreicht. Rauf auf die Fähre und rüber ans andere Ufer. Die zweite Fähre am heutigen Tag. Auf dem NOK fährt jetzt ein riesiger Pott vorbei: Die Dignity ist ein Tanker, ebenfalls mit Ziel Ostsee.
Fuhr ich bislang Richtung Kiel, strample ich jetzt gen Brunsbüttel. Da ich ungern gleiche Strecke fahre, biege ich auf einen verwachsenen Singletrail ab. Nicht unbedingt ideal mit Kalki. Zum Glück mündet der Pfad schnell in eine Schotterstrasse, und diese führt ziemlich direkt nach Burg. Dort hat das THW seinen Fuhrpark fürs Familienfest aufgebaut und es gibt Bratwurst für zwei Euro - ein schöner ASusklang der Wilstermarsch-Land-Unter-Zwei-Kanal-Fähren-Runde.
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